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1980 Die Ibiza-Spur (SM)

1980 Die Ibiza-Spur (SM)

Titel: 1980 Die Ibiza-Spur (SM)
Autoren: Hinrich Matthiesen
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er will, kann auch den nächsten Nachbarn bitten, eine Ambulanz zu rufen. Wir dürfen nicht vor lauter Mitgefühl unsere eigene Sache gefährden. Wer weiß, was der Bursche sonst noch auf dem Kerbholz hat. Alles klar?«
»Alles klar. Suchen wir also erst mal einen geeigneten Anlegeplatz!«
Sie machten sich auf den Weg.

XXXIV.
    Ihr Fahrzeug war eine in den USA gebaute TOLLYCRAFT-Motoryacht, etwa so groß wie die AURORA, und es hieß schlicht und unprätentiös NINA, »Kleines Mädchen«. Es hatte 225 PS. Hemmerich hatte sich für die NINA entschieden, weil sie nicht mit Diesel-, sondern mit Benzinmotoren fuhr.
    Sie waren schon zwei Stunden unterwegs, hatten den Südwestteil der Insel mit dem Atalayasa Massiv umfahren und dann die dem Kontinent zugekehrte Flanke von Formentera angesteuert, befanden sich jetzt am Kap Berberia. und gingen auf östlichen Kurs. Es war halb sieben. Der vereinbarte Treffpunkt lag noch 21 Seemeilen entfernt.
    Auf dem freien Meer zwischen Kap Lienrisca auf Ibiza und Punta Gavina auf Formentera hatten Hemmerich und Maschke die Motoren mehrmals auf Höchstleistung gebracht und dabei eine Geschwindigkeit von 26,5 Knoten erzielt. Die der AURORA schätzte Hemmerich nicht höher ein. Allerdings, so hatte er Maschke erklärt, könnten Geschwindigkeitsfanatiker diesen Wert weit hinter sich lassen, indem sie sich einen Turbolader zulegten oder ihre Motoren aufbohrten. Darauf hatte Maschke geantwortet: »Dann haben Hentschel & Co bestimmt beides gemacht, und wir sind ihnen unterlegen.« Aber sofort hatte er, um keinen Pessimismus aufkommen zu lassen, hinzugefügt: »Na ja, eine Seeschlacht werden sie schon nicht veranstalten.«
    An Backbord lag nun die große südliche Bucht von Formentera mit ihrem viele Kilometer langen Strand. Voraus, im Osten, leuchtete es orangerot, und Maschke kommentierte den Aufstieg des Sonnenballs aus dem Wasser mit den Worten: »Die Morgenröte ist etwas Wunderschönes, wenn es sich bei ihr nicht gerade um einen Ganoven-Clipper handelt, jetzt haben wir beides auf einmal.«
    Javier lag unter Deck, noch gefesselt an Händen und Füßen. Er hatte die Nachricht, daß sein Vater bereit war, ihn gegen Victor Hemmerich auszutauschen, wortlos entgegengenommen. Herles mochte nun schon in einer Klinik liegen. Was ihn betraf, hatte Maschke es nun doch anders gemacht, hatte vor dem Auslaufen die Polizei angerufen, ihr von dem Schwerverletzten berichtet, das Haus genannt, in dem er lag, und schließlich auch nicht verschwiegen, daß es sich bei diesem Deutschen um einen Kriminellen handelte. Auf die Frage des Polizisten, wer er selbst denn sei, hatte er eingehängt.
    Sie waren mit ihrem Gepäck an Bord gegangen und planten, nach dem Austausch Ibiza nicht mehr anzulaufen, sondern zur Nachbarinsel Mallorca zu fahren und dort den Behörden einen umfassenden Rapport zu geben. Aber ihnen schien dieser erste offizielle Schritt ein noch in weiter Ferne liegendes Ziel zu sein, so sehr füllte das, was bis dahin zu leisten war, ihr Denken aus.
    Um 7.20 Uhr passierten sie die Südostspitze der Insel. Da sie noch Zeit hatten, fuhren sie nicht gleich in die offene See hinaus, sondern erst ein Stück nach Norden, schwenkten beim Faro de Formentera, dem Leuchtfeuer, um neunzig Grad nach Steuerbord und befanden sich dann auf der Linie, auf der in zwölf Meilen Entfernung das Treffen stattfinden sollte. Hemmerich stand am Ruder, während Maschke immer wieder, das Glas vor den Augen, die Kimm absuchte. In der Tat gab es hier zu dieser Stunde keine Armada, wie Hentschel es formuliert hatte. Sie waren ein paar frühen Seglern begegnet, hatten auch zwei Dickschiffe gesehen, ein kommendes und ein gehendes, aber jetzt war die im morgendlichen Sonnenlicht glitzernde Wasserfläche frei von Fahrzeugen.
    Es wehte ein schwacher Wind aus Südwest, die NINA lag ziemlich ruhig. Die Frage, was bei Sturm zu geschehen hätte, war während des Gesprächs mit Hentschel und Julia Potter gar nicht erwogen worden, daran hatten sie nicht gedacht. Schon ein Wind von mittlerer Stärke hätte den Austausch der Gefangenen beträchtlich erschwert, wenn nicht vereitelt.
    »Backbord voraus ein Boot!« sagte Maschke.
»Kannst du die Flaggen sehen?«
»Nein, es ist noch zu weit weg.«
Maschke übernahm das Ruder. Hemmerich setzte das Glas an die Augen. »Sie könnten es sein«, sagte er, »der Silhouette nach.« Er legte das Glas ab, holte die schon bereitgelegte Signalflagge, hißte sie, kehrte zu Maschke zurück, nahm das Glas
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