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198 - Sohn und Dämon

198 - Sohn und Dämon

Titel: 198 - Sohn und Dämon
Autoren: Jo Zybell
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zurück zu dem Zelt, in das man seine Mutter getragen hatte.
    Er war stark, er war jung, und er führte ein Schwert, das ihn in seinen Augen schier unbesiegbar machte. Doch wie um alles in der Welt sollte er mit vier bewaffneten Anangukriegern auf einmal fertig werden?
    Er ließ sich Zeit und blickte sich suchend um. Der Silberstreif des neuen Morgens war inzwischen zwei Handbreiten hoch in den Nachthimmel gestiegen und hatte bereits die Hälfte der Sterne gelöscht. Die Ostseite des Uluru zeichnete sich deutlich vor dem aufgehellten Himmel ab.
    Irgendwo außerhalb des Lagers begann ein Vogel zu zwitschern.
    Daa’tans Blick fiel auf einen Topf, der vor einer Hütte auf einer erkalteten Feuerstelle stand. Er schlich zu ihr und beugte sich darüber. Gegartes Gemüse füllte ihn zu fast einem Viertel.
    Die Speise duftete nach irgendeiner Hülsenfrucht. Erbsen, vermutete Daa’tan. Er steckte den Finger in den Topf und beschnupperte das Gemüse. Widerwille erfüllte ihn. »Wie kann man nur so etwas essen«, flüsterte er.
    Doch wenn die Hülsenfrucht hier als Speise zubereitet wurde, schienen die Menschen am Uluru sie ja zu mögen.
    Daa’tan schüttelte den Kopf und spähte suchend um sich.
    Neben der Feuerstelle fand er ein paar Blechnäpfe und einen langstieligen Löffel. Zwei Näpfe füllte er mit den Erbsen und trug sie zu jenem bunt bestickten Zelt, in dem er seine Mutter wusste. Die Wächter davor unterhielten sich mit gedämpften Stimmen. Als sie ihn kommen sahen, unterbrachen sie ihr Gespräch und blickten ihm entgegen. Ohne Furcht schritt er zu ihnen. Das erste Dämmerlicht fiel auf das Lager.
    Daa’tan bezwang seine wütenden Gedanken, dachte an die Erbsen und an weiter nichts. Eine kräftige Speise zu Beginn des neuen Tages?, dachte er und bot den beiden schwarzen Kriegern die Näpfe an. Sie nahmen sie ihm ab, deuteten Verbeugungen an und murmelten unverständliches Zeug.
    Vermutlich bedankten sie sich. Auch Daa’tan verbeugte sich und ging weiter. Hinter einer Hütte blieb er stehen und beobachtete die Wächter.
    Die schwarzen Krieger aßen die Erbsen mit den Fingern.
    Offenbar hatten sie Hunger, denn sie schlangen die kalte Speise regelrecht hinunter. Daa’tan schloss die Augen, rief sich den Duft der Erbsen in Erinnerung und konzentrierte sich auf die beiden Anangu und ihre Speise.
    Er wusste nicht genau, was er trat, doch er spürte die Kraft, die von ihm ausging.
    Kurz darauf ließ der erste der beiden Wächter den Napf fallen und griff sich an den Hals. Daa’tan huschte um die Hütte herum und pirschte sich von der Rückseite des Zeltes an die Wächter heran. Auch der zweite Wächter hatte sich inzwischen die Hände auf Mund und Hals gelegt. Er würgte und röchelte.
    Daa’tan wusste, was geschehen war: In den Schlünden der Männer hatten die Hülsenfrüchte gekeimt und ausgetrieben.
    Die frischen Triebe verschlossen ihnen die Luftröhren. Beide waren in die Knie gegangen und schnappten verzweifelt nach Luft. Daa’tan zog sein Schwert. Er sprang aus seiner Deckung.
    Blitzschnell stieß er die Erstickenden ins Zelt. Dort fielen sie einem dritten Krieger in die Arme. Daa’tan stach zu und durchbohrte ihm die Kehle. Der vierte Anangu sprang auf und riss ein Kurzschwert aus der Hüftscheide. Ein Greis mit einem Turban blickte erschrocken auf.
    Daa’tan holte aus, spaltete dem vierten Wächter den Schädel und schlug dem Turbanträger die flache Klinge so heftig gegen die Schläfe, dass der Greis die Augen verdrehte und seitlich in die Felle eines Schlaflagers kippte.
    Noch während der Alte fiel, gab er den Blick auf die Frau in der Mitte des Zeltes frei.
    »Mutter«, flüsterte Daa’tan. Er ließ das Schwert sinken und beugte sich über Aruula. »Da bist du ja endlich…«
    Sie hatte die Augen geschlossen und atmete ruhig.
    Vermutlich war sie bewusstlos. Jetzt erst wurde Daa’tan der intensive Duft bewusst, der das Zelt erfüllte. Nach und nach vermischte er sich mit dem Geruch von Angstschweiß und Blut.
    »Mutter…« Er küsste die Ohnmächtige auf die Stirn.
    »Meine geliebte Mutter…« Zärtlich streichelte er ihre Wange, ihr blauschwarzes Haar, ihre leblose Hand. »Wie lange habe ich auf diesen Augenblick gewartet…« Seine Schweißtropfen und Tränen tropften auf ihr schönes Gesicht. »So lange, und nun bist du endlich da…«
    ***
    Das Tor des Winters versank hinter dem westlichen Horizont.
    Von Sonnenaufgang her sickerte rötlich-milchiges Licht in den Himmel. Eine Zeitlang sah
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