1932 - Schiff am Abgrund
sich mit Tsu und seinen Leuten in Verbindung.
„Schafft ihr es, die Schleusen von Hand zu öffnen?"
„Wir versuchen es", antwortete der Chefsyntroniker. „Versprechen kann ich es nicht. Von den vierzehn kleineren Schleusen klemmt mehr als die Hälfte, weil sich die Wände der Umgebung verzogen haben. An der großen Hangarschleuse wird noch gearbeitet."
„Laßt sie in Ruhe! Es dauert zu lange. Konzentriert euch auf die kleineren Mannschafts- und Ein-Mann-Schleusen!"
„Verstanden."
Sie schafften es innerhalb von zehn Minuten. Die Luft entwich aus dem abgeriegelten Bereich, und mit dem Verschwinden der Atmosphäre erloschen übergangslos die meisten Brände. Das glutflüssige Metall glomm noch eine Weile vor sich hin, bevor es in der eindringenden Weltraumkälte erstarrte.
Zwei andere Energiespeicher hatten sich in winzige Sonnen verwandelt und durch den Fußboden in die darunter liegende Etage gefressen. Dort zerstörten sie Anlagen zur Wasseraufbereitung und einen Teil der Notstrombatterien für die Grundversorgung. Auch hier ordnete Fee die Abriegelung des Bereichs und die Öffnung aller Schleusen an.
Anschließend machte sie sich auf den Weg zu Lyjda Meyer. Die Leitende Wissenschaftlerin arbeitete an der Bodenschleuse und dirigierte ihre Mitarbeiter. Sie brachten erneut die Kameras an und stellten Kabelverbindungen in das Innere des Schiffes her.
„Es sieht so aus, als hätte Tuck Erfolg gehabt", empfing Lyjda Fee. „Allerdings schleppt sich mein SERUN mit dem letzten Rest Energie herum. Den Männern und Frauen aus meinem Team ergeht es nicht anders. Würdest du bitte eine Messung vornehmen?"
Fee Kellind aktivierte den Taster.
„Wir fliegen fünfzehnhundert Kilometer höher als zuvor", stellte sie fest. „Das ist immerhin etwas:"
„Mein SERUN zeigt nur vierhundert Kilometer an", widersprach Lyjda. „Ich denke jedoch, dein Wert ist richtig."
Ihre Stimme im Funkgerät versiegte nach und nach. Fee deutete nach innen.
„Du gehst sofort hinein. Wir sehen uns in der Zentrale."
Die Leitende Wissenschaftlerin hörte nichts mehr, aber sie verstand die Gestik und betrat die Schleuse.
Zwei Männer halfen ihr, das Schott zu schließen. Fee Kellind blieb draußen und wiederholte die Messung zweimal.
„Fünfzehnhundert Kilometer, wieviel bedeutet das in Stunden?" fragte sie den Pikosyn.
„Gerechnet auf die neue Flugbahn hast du zwischen elf und vierzehn Stunden zur Verfügung. Die Bahn hat sich stark einer Ellipse angenähert. Ihr tiefster Punkt liegt auf der anderen Seite des Planeten. Dort könnte es erneut zu Kursabweichungen kommen."
„Das hast du schön gesagt", knurrte die Kommandantin.
Der Pikosyn ging nicht darauf ein. So etwas gehörte nicht zu seinem Programm.
Fee setzte sich mit der Besatzung in Verbindung.
„Wer immer mich hört, gibt die Botschaft bitte sofort an alle anderen weiter. Tuck Mergenburghs Zündung der Feldtriebwerke hat uns etwas Luft verschafft. Wir haben eine neue Frist von maximal elf bis vierzehn Stunden. Wir sollten uns jedoch darauf einrichten, daß es nach etwa sieben bis acht Stunden auf der anderen Seite des Planeten zu Veränderungen kommen kann. Unsere Flugbahn ist nicht besonders stabil."
Sie schaute kurz hinüber zu den Männern und Frauen bei den Kameras. Sie hatten die Montage, abgeschlossen und trieben zu ihr herüber. Gemeinsam kehrten sie in das Innere der GOOD HOPE III zurück.
In der Nähe der Bodenschleuse wirkte das Schiff intakt und vermittelte ihnen einen völlig falschen Eindruck. In Wahrheit sah es so aus, daß außer ein paar Notbatterien nichts mehr funktionierte. Und den Metagrav, der unversehrt geblieben war, konnten sie mangels Energie nicht nutzen.
Es war wie verhext. Fee Kellind ließ es sich nicht anmerken, aber sie verlor langsam, aber sicher den Mut. Wenn sie die Sache nüchtern und mit dem geschulten Auge der Agentin und Schiffskommandantin betrachtete, dann war ihre Lage aussichtslos bis zur kleinsten Schweißnaht. Wenn nicht der Zufall half, schlug bald die letzte Stunde von rund hundertsechzig Männern und Frauen.
Der Bordkalender zeigte inzwischen die Abendstunden des 6. Juni 1290 NGZ. Dreieinhalb Tage kämpften sie nun bereits gegen den Untergang des Schiffes und kamen mit Ausnahme von fünfzehnhundert Kilometern Höhenunterschied nicht weiter.
Wenn wenigstens die Korrago aufgetaucht wären! Ein wrackes, energieloses Schiff hätten sie nicht atomisiert, sondern geentert, um nachzusehen, was mit den Insassen geschehen war.
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