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191 - Das Duell

191 - Das Duell

Titel: 191 - Das Duell
Autoren: Jo Zybell
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und Rulfan erkannte, dass sie noch größer war, als er erwartet hatte. Über sechzig Meter erstreckte sie sich in die Länge und gut vierzig Meter in die Breite.
    Ihre ebenmäßigen Wände liefen ungefähr zwanzig Meter über dem Boden zu einer Art Spitzkuppel zusammen.
    Rulfan kam sich vor wie im Schwarzen Dom zu Coellen.
    Drei Männer hockten etwa zwei Schritte von dem großen Feuer entfernt mit gekreuzten Beinen auf Lederdecken. Klein, dürr, schwarzhäutig, mit weißen Locken. Anangu-Greise. Sie gestikulierten heftig, während sie miteinander palaverten. Rulfan verstand kein Wort.
    Er zog die Streitaxt aus der Rückenschlaufe und trat in die Höhle ein. Über Schutt, Geröll und Skelette hinweg ging er zum Feuer. Zwanzig Schritte daneben ragte ein großer Felsblock etwa zwölf Meter in die Höhe. Die Anangu drehten sich erst um, als er sich ihnen bis auf ein Dutzend Schritte genähert hatte. Sie unterbrachen ihr Gespräch und musterten ihn neugierig.
    »Was tut ihr hier?«, fragte Rulfan.
    »Wir warten«, sagte einer von ihnen in lupenreinem Englisch. Waren es dieselben Männern, die in der runden Höhle am Feuer gesessen und sich in Ekstase gesummt hatten? Schwer zu sagen. Gauko’on jedenfalls war nicht unter diesen dreien. Den Alten, der ihm den betäubenden Sud verabreichte, den hätte Rulfan wieder erkannt.
    »Komm, Mann aus Salisbury.« Ein anderer Greis wies auf eine leere Lederdecke vor dem Feuer. »Setz dich zu uns.«
    Sie kannten ihn also. Zögernd ging Rulfan zu ihnen ans Feuer und nahm auf der leeren Decke Platz. Ihre hellwachen Blicke ruhten auf ihm. Der Schein der Flammen tanzte auf ihren Gesichtern. Rulfan legte die Streitaxt über seine Schenkel. Er war auf alles gefasst.
    Immerhin hatte er einen Anangu getötet. Wussten diese Burschen das schon?
    »Wohnt ihr hier?«, fragte er.
    »Nein«, sagte der links von ihm. »Hier wohnt niemand mehr.«
    »Schon lange nicht mehr«, sagte der Anangu rechts von ihm. »Schon seit fast fünfhundert Jahren nicht mehr.« Der Greis griff nach einem Krug, goss Wasser in einen Becher und reichte ihn Rulfan.
    Rulfan nahm ihn, er fühlte sich klebrig an. »So lange her schon?« Er roch an dem Becher. »Ich dachte, hier hätten Menschen gelebt, die sich vor dem Kometen in Sicherheit gebracht hatten.«
    »Stimmt auch«, sagte der Anangu auf der anderen Seite des Feuers. »Zwölf Jahre lebten sie hier in Red Toad. Zwölf Jahre nach dem Einschlag von ›Christopher-Floyd‹. Unsere Vorfahren.«
    »Und dann?« Rulfan sah einen von ihnen vom selben Wasser trinken. Er wagte es und nippte daran. Es schmeckte gut und rein. Er nahm einen großen Schluck.
    »Streit«, sagte der Anangu links von ihm. »Unser Vorvater Adam und seine Gefolgsleute wollten dem Ruf des HERRN gehorchen und mit der jungen Gedankenmeisterin zum Uluru ziehen Doch ›die vom Himmel gefallen waren‹ und ihre Gefolgsleute gehorchten nicht. Sie gaben ihre Tochter nicht her und zogen auch nicht zu IHM an den Uluru.«
    Zum ersten Mal erhielt Rulfan einen Hinweis auf den Ort, an dem er sich aufhielt. Es war jedenfalls nicht der Uluru, doch weit entfernt konnte der Fels nicht sein.
    »Und weiter?«, fragte er. »Was geschah dann?«
    »Unser Vorvater Adam, der Erzwächter des Uluru, er wollte sich nehmen, was der HERR zu bringen befohlen hatte: die kleine Gedankenmeisterin. Doch ›die vom Himmel gefallen waren‹ vernichteten Red Toad und viele von Adams Gefolgsleuten durch Feuer und Gift.« Der Anangu rechts von Rulfan machte eine weit ausladende Geste. »Hier im Felsendom wütete der Tod.«
    »Vielen unserer Vorfahren aber gelang dennoch die Flucht zum Uluru«, sagte der Anangu auf der anderen Seite des Feuers.
    Rulfan registrierte aufmerksam, dass es offensichtlich einen unterirdischen Weg aus dem Höhlensystem zum Uluru gab. »Und die anderen?«, fragte er vorsichtig. »Die aus dem Himmel gefallen waren? Was wurde aus ihnen?«
    Der Anangu rechts von ihm machte eine geringschätzige Geste. »Abschaum. Sie nennen sich Reddoas. Unsere Vorväter jagten sie durch das ganze Land bis zur Küste. Fast hätten sie die Reddoas ins Meer getrieben.«
    Rulfan leerte den Wasserbecher und stellte ihn neben sich auf den Felsboden. »Eine traurige Geschichte.« Er wischte die klebrige Hand an seiner Jacke ab und blickte in die Flammen. Wie durch einen halbtransparenten Vorhang hindurch sah er dahinter den dritten der Greise sitzen. Wie die anderen beiden auch, musterte der kleine schwarze Mann ihn aufmerksam. »Gibt es also
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