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186 - Wächter der Stille

186 - Wächter der Stille

Titel: 186 - Wächter der Stille
Autoren: Stephanie Seidel
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Todesurteil.
    »Fleisch!«
    Hinter ihm – unbemerkt – platzte eine der Riesenknospen auf.
    ***
    »Bei Deimos! Das geht jetzt schon seit Stunden so, dass er da steht und zittert! Irgendwann wird er zusammenbrechen, Clarice«, meinte Vogler nervös.
    »Hmm-m! Und irgendwann sind unsere Sauerstoffvorräte am Ende!« Die Marsianerin zeigte auf Quart’ol. »Als er sagte, wir sollten auf ihn warten, hatte ich an ein paar Minuten gedacht. Dieser Zustand kann doch unmöglich gesund sein…«
    Das war er auch nicht, allerdings aus anderen Gründen, als Clarice vermutete.
    Quart’ol hatte sein Versprechen längst vergessen, nur nach Dingen zu fragen, die für ihn wichtig waren. Ein wissbegieriger Geist wie er konnte sich nicht mit Brosamen zufrieden geben – er wollte alles, und er wollte es jetzt! Der Wächter beantwortete jede seiner Fragen und zog den Hydriten immer tiefer in Geheimnisse hinein, die schon einzeln kaum zu ertragen waren. Quart’ol war am Ende seiner Kräfte, mental überlastet und körperlich kurz vor dem Kollaps. Dennoch fragte er weiter; wie in Trance, kaum noch fähig, etwas aufzunehmen. Es gab so viel zu ergründen, so viel zu erfahren!
    Quart’ols Gefährten hörten nichts von dem, was er hörte.
    Sie wussten nicht einmal, dass überhaupt eine Unterhaltung stattfand. Clarice hatte schon mehrmals darauf gedrängt, den immer schwächer werdenden Hydriten nach draußen zu bringen. Doch gerade als auch Vogler zu dem Schluss kam, man solle Quart’ol der offenbar hypnotischen Anziehungskraft dieser rätselhaften Riesenmuschel entreißen, geschah etwas Unerwartetes.
    Quart’ol drehte sich um, seinem Blick nach in tiefster Trance, und eine fremde Stimme begann aus ihm zu sprechen – auf Englisch, über das Headset.
    »Nehmt euren Gefährten und verlasst diesen Raum!«, befahl der Wächter. »Es gab einen Kurzschluss in der Sicherheitsschleuse zum Bestiarium. Eine der Bestien ist im Schleusentunnel verendet, und andere haben sich durch ihren Körper ins Freie gefressen. Nun befinden sie sich auf dem Weg in die Stadt! Sie sind sehr gefährlich! Flieht aus Gilam’esh’gad, so lange ihr noch könnt!«
    Vogler raunte Clarice zu: »Die Viecher haben dasselbe Prinzip angewendet wie wir; nur haben sie statt der Qualle einen Schutzschild aus Monsteraal gegen die elektrischen Entladungen benutzt! Denkst du, sie sind intelligenter als –«
    »Wir sollten nicht denken«, zischte ihn die Marsianerin an.
    »Wir sollten handeln!«
    Kaum hatten sich die Beiden in Bewegung gesetzt, da ließ der Wächter den mentalen Kontakt zu Quart’ol abreißen. Der Hydrit brach zusammen, sank auf den Boden mit seinem Belag aus uralten zerkämpften Brustpanzern längst vergessener Hydree-Generationen. Es war sicher nur ein Zufall, dass er genau auf den Schild zu liegen kam, der dem Bruder des letzten Großen Ramyd’sams gehört hatte und einen interessanten Namenszug auf wies: Madr’ak. Die Marsianer bemerkten das nicht. Es hätte sie auch nicht gekümmert.
    Vogler und Clarice packten ihren Gefährten und zogen ihn hoch. Clarice wollte einen Blick in die weiße Schneckenmuschel werfen, was ihr aber nicht gelang, weil Vogler ihr erst ungewollt die Sicht versperrte und dann mit Quart’ol los schwamm, sodass keine Zeit mehr zum Nachschauen blieb. Clarice sollte nie erfahren, welches Glück sie in diesem Moment gehabt hatte. Die Macht im Inneren der Muschel hätte sie getötet.
    So aber gelangten sie unbeschadet hinaus ins Freie.
    Wummernd schloss sich das große Portal hinter ihnen. Die Bewegung des Wassers verlief, aufgewirbeltes Sediment sank zurück auf den Boden, und erneut nahm die Stille Besitz von diesem Raum mit seiner Weite, seinen Geheimnissen und den Wänden voller Sternenlicht.
    Ein paar Herzschläge verpochten, dann wuchs ein Schatten aus der mächtigen Schneckenmuschel. Jemand glitt ins Freie – ein Wesen, das man kaum noch als Hydrit erkennen konnte. Und doch war es einer. Der Wächter sah sich um, wohl um sicher zu gehen, dass seine Besucher das Gebäude verlassen hatten. Er blickte kurz zu dem Rundgewölbe hinüber, das von innen den zweiten Eingang umschloss. Früher hatten in der Kammer der Macht Waffen gelegen und die Baupläne für den Molekularbeschleuniger. Heute lauerte darin der sichere Tod.
    Die breite, immer enger verlaufende Schleifenrille der Schneckenmuschel war mit bionetischer Nährmasse gefüllt, an die man einen Symbionten gesetzt hatte. Er sorgte dafür, dass sie sich wieder und wieder
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