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186 - Wächter der Stille

186 - Wächter der Stille

Titel: 186 - Wächter der Stille
Autoren: Stephanie Seidel
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Echse den Inhalt gefressen, oder Quart’ol und seinen Gefährten war die Flucht gelungen. So oder so – es gab hier nichts mehr zu tun. Agat’ol zog den Soord’finn herum, trieb ihn an. Im Vorbeischwimmen riss der Kampffisch ein Stück Quallenfleisch ab. Der Rest kam frei und sank in die Tiefe.
    Agat’ol sah ihm flüchtig hinterher.
    Über ihm, hinter ihm bewegte sich das riesige Auge.
    Die milchige Schicht war nur eine Nickhaut, wie sie alle Echsen haben. Sie glitt beiseite. Eine Pupille kam zum Vorschein, lang und schmal, wanderte nach vorn und erfasste ihr letztes Ziel. Der Kopf schwenkte herum, unaufhaltsam, immer schneller.
    Agat’ol spürte die Wasserverdrängung in seinem Rücken, blickte zurück, sah das gewaltige Maul auf sich zukommen. Es blieb keine Zeit mehr, den Soord’finn anzutreiben. Er hechtete herunter, tauchte um sein Leben.
    Die Kiefer der Bestie schnappten aufeinander, schlossen sich, hielten fest. Blitze zuckten um das schwarze Riesenmaul wie ein finales Feuerwerk. Agat’ol wurde hochgespült, näher an die gigantische Echse heran. Er wehrte sich verzweifelt, doch er schaffte es nicht zu entkommen. Wolken aus Blut wogten ihm entgegen, hüllten ihn ein, raubten ihm die Sicht. Er zog den Blitzstab. Wenn schon sterben, dann als Krieger!
    Niemals kampflos. Niemals!
    Ein Knochenschwert verließ die roten Nebel. Der Soord’finn kam seinem Herrn mit hängenden Zügeln entgegen.
    Agat’ol fasste sie im Vorbeischwimmen, hechtete auf sein Reittier. Wo war die Bestie? Er blickte zurück. Nichts zu sehen außer schummerigen Blitzen und Blut. Agat’ol hob die Füße und trat heftig zu, um den Kampffisch anzutreiben.
    Seine Hacken schlugen aneinander.
    Es dauerte einen Moment, bis ihm klar wurde, warum.
    Agat’ol spürte den vertrauten schuppigen Rücken zwischen seinen Schenkeln, doch darunter war nur noch Wasser. Ein paar Hautlappen, eine gesplitterte Rippe, sonst nichts. Der Mar’os-Krieger tastete durch die Blutnebel nach hinten, erfühlte einen Stumpf. Sein Soord’finn endete in einer freiliegenden Wirbelsäule. Agat’ol saß auf einem Leichenteil.
    »Neiiin!«
    Wut siegte über Verzweiflung, ließ den Mar’osianer brüllend hoch tauchen; durch das Blut auf die Bestie zu. Er suchte ihr Auge, rammte den Blitzstab hinein und drückte ab.
    Wieder und wieder. Die riesige Echse war längst tot, doch das war ihm egal. Irgendwo musste er hin mit seinem Zorn.
    Allerdings befriedigte es nicht wirklich, auf ein totes Tier zu schießen, und so ließ Agat’ol zu guter Letzt von ihm ab. Es gab ja immer noch Quart’ol und dessen Gefährten! Die Drei waren reizvollere Ziele. Man musste sie nur finden.
    Tief unter ihm breitete sich der Park von Gilam’esh’gad aus.
    Jede Einzelheit war nicht zu erkennen aus dieser Höhe, aber hin und wieder bewegte sich etwas im wogenden Grün. Ein Fisch vielleicht? Oder ein Hydrit? Der Mar’os-Krieger setzte sich in Bewegung.
    Die Schönheit der Anlage blieb ihm gänzlich verschlossen.
    Agat’ol interessierten weder Riesenrispen noch Bodendecker; exotische Marsgewächse kannte er nicht, und Algen waren dem Fleischfresser ein Gräuel. So verwunderte es auch nicht weiter, dass er ärgerlich wurde, als ihm auf winzigen Tippelfüßen ein Gewächs in die Quere kam, drei Meter hoch, mit leuchtend gelben Dahlienblüten und zwei riesenhaften Knospen. Agat’ol war noch in Gedanken bei seinem Soord’finn und hatte eigentlich keine Lust auf Konfrontation, schon gar nicht mit einer dummen Pflanze, deshalb wich er zunächst einen Schwimmzug nach links aus. Als sich das Ding aber augenblicklich in dieselbe Richtung bewegte, seitlich wie eine Krabbe, kochte er über.
    »Geh mir aus dem Weg, du blödes Gemüse!«, klackte er und schlug mit der Faust nach dem Grünling.
    Agat’ol war nur ein einfacher Krieger – wie sollte er ahnen, dass es in Gilam’esh’gad weit mehr Geheimnisse als Offenbarungen gab? Seine Faust erreichte nie ihr Ziel. Jemand schoss aus dem Nichts heran, packte ihn am Handgelenk und riss ihn herum. Er war geschockt, versuchte zu begreifen, was er sah, fand keine Erklärung. Wer war diese schwarze, entsetzlich verkrüppelte Gestalt? Warum fühlte er sich plötzlich gelähmt?
    Etwas tastete nach seinem Verstand, strömte durch seinen Körper, nahm ihn in Besitz. Agat’ol wollte schreien, sich wehren, irgendetwas tun. Doch er konnte nicht. Er konnte nur der fremden Stimme in seinem Kopf lauschen. Diesem einen Wort, das sich anhörte wie ein grausiges
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