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185 - Ein Albtraum erwacht

185 - Ein Albtraum erwacht

Titel: 185 - Ein Albtraum erwacht
Autoren: Michael M. Thurner
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beschäftigte und diesen seltsamen Zauberkreis um ihr Schlaflager legte, reichte Aruula einen halben Lederbecher voll köstlichen Wassers. Sie trank so langsam wie möglich, kostete jeden einzelnen Schluck aus und nickte schließlich dem Dunkelhäutigen dankbar zu.
    Eine Staubfahne ragte im Schein der untergehenden Sonne hoch. Ein Windteufel musste sich dort austoben und über Sandgestein hinwegfegen…
    Der Anangu folgte ihren Blicken.
    Täuschte sich Aruula, oder zuckte er tatsächlich zusammen, nachdem er die Wolke erblickt hatte?
    »Roodtren«, murmelte er und betrachtete sie nachdenklich.
    »Roodtren?« Halblaut wiederholte sie das Wort, testete seinen Klang. Die Barbarin bemühte sich, zumindest die wichtigsten Wörter der eigentümlichen Sprache zu verstehen.
    Hatte sie dieses Wort schon einmal vernommen?
    Nein – so glaubte sie zumindest. Jene klebrige Masse, die einmal ihr Kopf gewesen war, wollte und wollte nicht so funktionieren, wie sie es gern hätte. Schwerfällig schwappten Ideen hoch, ließen sich nur mühsam zu vernünftigen Gedanken verdichten.
    »Roodtren«, wiederholte sie müde. Unruhe erfasste nun auch die anderen Anangu. Sie marschierten ein Stückchen beiseite und unterhielten sich flüsternd. Aruula war offenbar das Thema der Unterhaltung; mehrmals trafen sie verstohlene Blicke.
    Vorsichtig setzte sich die Barbarin nieder. Immer wieder hatte sie während des Tages Tiere mit langen, vor Gift triefenden Stacheln gesehen. Solche, die nahezu halb so groß wie sie gewesen waren, und auch winzig kleine, die ihrer Aufmerksamkeit entgangen und vor denen die Anangu sie während des Laufmarsches gewarnt hatten.
    Einer der Männer rüttelte sie unvermittelt an der Schulter und befahl ihr, aufzustehen. Er wirkte verschlossen, vielleicht auch zornig. Noch immer hatte sie nicht gelernt, die Mimik der Anangu unter den vielen Falten und Narben zu deuten.
    Wieder handelte es sich um jenen etwas klein gewachsenen Mann, der meist den Kontakt mit ihr suchte. Er hielt seine Lanze in der Hand und deutete in Richtung der Staubfahne. In der linken Armbeuge lagen ihr Schwert und ihr Messer. Jäh erwachte Hoffnung in Aruula, um gleich darauf wieder im Dunkel ihrer unterdrückten Gedanken zu verschwinden.
    »Was willst du mir sagen, mein Freund? Können wir das nicht morgen bereden?« Sie fühlte sich müde und wollte bloß noch schlafen. Auch drängte sich der Gedanke an den brennenden Felsen, dessen Ruf sie seit Monaten folgte, wieder stärker in den Vordergrund.
    Der Anangu stieß energisch seine Lanze in den Boden. Sand wirbelte auf, drang in Augen und Nase. Dann deutete der Dunkelhäutige erneut in Richtung der Staubfahne. Er wollte, dass sie ihm folgte.
    Er packte einen dürren brennenden Ast aus dem soeben entzündeten Feuer und marschierte vom Lager weg, hinein in die beginnende Dunkelheit, sich immer wieder nach Aruula umdrehend. Er bewegte sich parallel zu der seltsamen Windfahne.
    »Ich soll dir also nachgehen, kleiner Mann? Du willst mir etwas zeigen?« Müde stolperte Aruula dem Anangu hinterher.
    Ihre Füße waren taub, die Oberschenkel ein einziger Brandherd, und jeder Atemzug zehrte an ihrer Substanz.
    Dennoch: Sie fühlte den Wunsch ihres Führers, ihm zu folgen – und konnte sich ihm nicht entziehen.
    »Ich verstehe euch einfach nicht«, flüsterte sie zwischen zwei gierigen Atemzügen. Falsch.
    Sie verstand sich selbst nicht. Niemals zuvor hatte sie derart bereitwillig die Befehle Anderer befolgt. So gerne hätte sie gekämpft, sich den Wünschen und Anordnungen der Anangu entzogen. Aber es gelang ihr nicht. Es gab nichts, gegen das sie angehen konnte. Rund um ihren Geist und Widerstandswillen befand sich klebrige Masse, die jegliche Eigeninitiative unterband. Kaum hatte sie eine kritische Frage in ihrem Kopf formuliert, versickerte sie auch schon wieder. Sie verschwand, als hätte es sie niemals gegeben.
    Die Staubwolke rechts von ihnen bewegte sich. Langsam wirbelte sie die Horizontlinie entlang.
    »Ist das etwa eine Tierherde?«, wunderte sich Aruula laut.
    »Willst du mit mir auf die Jagd gehen? Dann hätte ich aber gerne meine Waffen zurück.«
    Begierig blickte sie auf das Schwert, das der Anangu nach wie vor an den Leib gepresst trug.
    Keine Reaktion, wie gehabt. Das abendliche Rot erlaubte keine Mutmaßungen, was die Ursache für den Staubwirbel war.
    Der Dunkelhäutige lief ihr weiterhin voraus. Mit jenen kurzen, fast trippelnden Schritten, die er den ganzen Tag lang durchhielt, gab er ein
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