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1848 - Zerrspiegel

Titel: 1848 - Zerrspiegel
Autoren: Unbekannt
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einen Moment Mühe, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Am liebsten hätte er George so lange geschüttelt, bis alle „Weisheiten" aus ihm herausgefallen wären und ihn wieder zu einem normalen vernunftbegabten Menschen gemacht hätten. Aber es hatte keinen Sinn; zu oft schon hatte er ähnliches erlebt.
    „Anita hat von dem Werk berichtet, an dem ihr alle teilhaben sollt", fuhr er fort.
    George nickte. „Jeder von uns muß sein Teil dazu beitragen. Der Philosoph kann es nicht allein vollenden. Es hätte andererseits auch keinen Sinn, denn das Werk soll für uns alle entstehen."
    „Was bedeutet das Werk? Woraus besteht es?"
    „Oh, es ist ein Bauwerk von unvorstellbarer Größe, mindestens planetengroß, vielleicht sogar so groß wie die Erde ... nein, größer wahrscheinlich noch", antwortete George begeistert. „Es ist das höchste Ziel! Unser einziges und wahres Ziel, an dem wir alle arbeiten, und die Vollendung des Werks wird gleichzeitig auch unsere Vollendung sein!"
    „Woraus wird es gebaut? Kann man es sehen?"
    „Der Philosoph stellt uns das Material zur Verfügung, denn das Monument wird alle Dimensionen sprengen, so groß wird es sein. Sehen ... nun ja, ich sehe es bereits jetzt ganz deutlich vor mir, aber so wie normales Sehen ist das nicht ... es ist irgendwie, wie soll ich sagen, in sich gestülpt."
    Die Unsterblichen blickten sich an. Das war die erste konkrete Aussage, ein Hinweis ... worauf?
    „Ist es so etwas wie ein Mikrokosmos?" forschte Atlan. „Außen winzig, innen riesig?"
    „Davon verstehe ich nichts", bedauerte George. „Es ist etwas Riesiges, das nicht auf Terra steht, jedoch eng mit ihm verbunden ist. Das vollendete Werk ist nebenan."
    „In einer anderen Dimension?"
    „Nebenan eben."
    George zeigte ein breites, lückenhaftes Grinsen. Der Blick seiner Augen verschleierte sich, und seine Hände kramten in den Taschen seiner Kleidung. Schließlich zog er strahlend einen Stift und den winzigen Rest einer Schreibfolie hervor. Ohne die Cameloter eines Blickes zu würdigen, stand er auf und ging davon, genau wie Anita. Nur sang er nicht, sondern. begann Kreise auf die Folie zu kritzeln.
    Intermezzo Der Schatten wächst, seine Gestalt weitet sich nun schon nahezu über den ganzen Horizont aus. Er ist mit nichts vergleichbar, was wir je erschaffen haben. Und reit nichts, was jemals auf dieser Welt gelebt hat.
    Woher weiß ich das nur?
    Es ist vollkommen egal, woher ich das weiß. Tatsache ist, daß der Schatten wächst, und er ist bedrohlich. Alles, was vom Himmel kommt, ist bedrohlich und eine Gefahr für die Bodenbewohner. Dort oben kann der Schatten uns alle sehen, kann sich auf wenige von uns konzentrieren und sich darauf stürzen ...
    Ein Terraner hat mir erzählt, daß fliegende Wesen auf anderen Welten ganz normal seien. Aber das ist nicht so bei uns. Mir wurde auch erzählt, daß die Intelligenzen dieser Welten sich ein Beispiel an diesen Fliegenden genommen und den Luftraum erobert hatten. Mir wurde sogar von Kriegen erzählt, Kämpfen zwischen Völkern.
    All das gibt es bei uns nicht, denn wir haben keine Fliegenden.
    Das ist jetzt anders ...
    Der Fliegende nimmt allmählich Gestalt an. Aus einem formlosen Schatten wird eine Gestalt, ein Körper, riesenhaft und weiterhin bedrohlich. Wächst immer noch. Streckt Arme aus, an denen dünne Haut flattert. Breitet diese Arme nahezu über die Welt aus, schlägt mit ihnen auf und nieder ... fliegt bewußt, bewegt sich leicht und schwerelos durch die Luft. Dem kann ich nie entkommen.
    Er fliegt direkt auf mich zu. Ich will fortlaufen, aber meine Beine sind schwer wie Blei. Ich kann mich nicht einmal umdrehen. Ich will um Hilfe rufen, aber es ist niemand da, der mich hören könnte. Und ich bringe auch keinen Laut hervor ...
    Er öffnet seinen Rachen, heißer Atem schlägt mir ins Gesicht. Rote Flammen züngeln aus den Winkeln seiner unförmigen Schnauze. Und seine riesigen Flügelarme schlagen immer schneller; Wind erfaßt mich, und nun muß ich mich festhalten, um nicht fortgerissen zu werden, eingesaugt in den teuflischen Rachen, verloren auf immer in einer alles verschlingenden Finsternis ...
    „Nein!"
    Caljono Yai war sich diesmal rasch bewußt, daß sie geschrien hatte. Nicht nur, daß der Alptraum wiederkehrte; er entwickelte sich weiter, wie eine Fortsetzungsgeschichte. Und das jede Nacht.
    Die Mahnerin entdeckte an sich schon die ersten Zeichen der Verwirrung: Sie war ständig müde, reagierte gereizt auf Anfragen und
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