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1848 - Zerrspiegel

Titel: 1848 - Zerrspiegel
Autoren: Unbekannt
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geistig. Von hier aus können wir den besten Zugriff bekommen - falls er sich nicht sofort wieder verdünnisiert."
     
    *
     
    Die Gäa-Geborenen tasteten sich behutsam weiter durch das flimmernde Chaos, bis sie noch ungefähr dreißig Meter vom Mittelpunkt entfernt waren. Hier war auch für sie die Grenze erreicht, an der sie anfingen, die Orientierung zu verlieren.
    Jetzt, Schwester!
    Wortlos kamen sie überein, ein kurzer Blickkontakt genügte.
    Sie ergriffen sich wie gewohnt an den Händen und konzentrierten sich. Per Strukturformen und -sehen maßte dieses unheimliche Wesen doch zu fassen sein!
    Schon nach kurzer Zeit spürten beide, wie ihnen der Schweiß ausbrach. Sie waren noch nicht einmal ganz ins Zentrum vorgedrungen, spürten aber zugleich Widerstand und einen Vorstoß ins Leere. Innerhalb des Flimmerns, das auch in den Strukturen noch erhalten blieb, war es unmöglich, den Körper des Philosophen zu erfassen.
    Was ist das nur, Schwester?
    Keine Barriere und dennoch undurchdringlich.
    Ein ... Spiegel. Es ist ein Spiegel!
    Und noch viel mehr, Schwester. Ein ganzes Spiegelkabinett, das noch dazu alles verzerrt.
    In diesem Flimmern spiegelte sich der Philosoph vielfach, aber so verzerrt, daß seine Gestalt nicht einmal annähernd erkennbar war. Er war und blieb ein Irrwisch, ein rasender Schemen, der überall zugleich und nirgends war. Sie konnten ihn. nicht erkennen, nicht einmal eine annähernde Struktur.
    Wo befand er sich wirklich? Woraus bestand er? Was war er?
    Das Spiegelsehen der Schwestern ging ins Leere. Trotz ihrer Gabe waren sie ebenso „blind" wie die Technik, wie ihre eigenen Augen.
    Enttäuscht mußten sie sich in dieser Runde geschlagen geben und sich zurückziehen. Ihre Kräfte waren bereits weitgehend aufgebraucht. Sie mußten die Situation erst analysieren und sich eine Strategie überlegen, bevor sie einen zweiten Versuch starten konnten.
    Denn daß es einen zweiten Versuch geben würde, bezweifelten sie keine Sekunde. Sie waren weit davon entfernt aufzugeben.
    Atlan empfing die beiden Erschöpften und brachte sie im Schutz der Modulas zurück zur Jet, zum neu aufgeschlagenen Lager. Er schien sehr besorgt, da die beiden kreidebleich, schweißgebadet und zittrig waren, bestürmte sie jedoch nicht mit Fragen.
    Nach einer Stunde kamen die Zwillinge geduscht und frisch gekleidet zu ihm zurück und stürzten sich auf das vorbereitete Essen zwar nur aus Nahrungskonzentraten, aber das störte sie in diesem Moment nicht.
    Der Arkonide wartete geduldig, bis sie ihm endlich Bericht erstatteten. Dieser war dann frustrierend genug. Damit hatte er auch gerechnet, denn im Fall eines Erfolgs hätten sie ihm sicherlich sofort das Wichtigste mitgeteilt.
    „Es ist wie in einem Labyrinth, du verirrst dich ständig auf immer neuen, sich weiter verschlingenden Pfaden", sagte Nadja. „Eine Orientierung war nicht möglich, eine konstante Struktur zu erfassen ebenfalls nicht.
    Wir tasteten uns ständig ins Leere, in jeder Richtung, als ob das einfach - nichts wäre, ein Abgrund ohne Anfang und Ende!"
    „Dann habt ihr den Philosophen nicht gefunden?"
    „Der Philosoph ist da, obwohl er sich ständig verflüchtigt. Es war sehr irritierend, diese ständige Hinund Hergerissenheit zwischen Nichts und Da. Es ist kein Trugbild, er rast in seinem eigenen Zentrum umher ..."
    „... wie ein Derwisch", warf Atlan ein.
    „Ja, was immer das auch sein mag, und ist sowenig zu erfassen wie ein Schemen, ein Irrwisch, der dich ewig narrt", beendete Mila den Satz.
    „Ich möchte einen Vergleich zu einer Aussage von George ziehen", sagte Nadja. „Er sprach von dem Bauwerk, das nebenan existieren würde. Irgendwie ist es so auch mit dem Philosophen. Er hält sich meiner Ansicht nach gleichzeitig in zwei verschieden dimensionalen Räumen auf: hier am Fuß des Kilimandscharo, wo die beeinflußten Menschen seine Lehren erfahren können, und - irgendwo nebenan."
    „Daran habe ich auch schon gedacht", gab Atlan zu. „Während ihr ins Zentrum vorgedrungen seid, habe ich über Georges Aussage nachgedacht und mir überlegt, wenn der Philosoph zusammen mit seinen Kumpanen das Bauwerk nebenan errichtet, dann muß er sich auf irgendeine Weise auch dort befinden. Und gleichzeitig hier, um seinen Kreis so weit zu ziehen, bis er genügend Macht und Einfluß besitzt - wofür auch immer. Die Ortung hat bisher stets aufgrund des Flimmerns versagt, auch von hier aus. Allerdings hat sich noch keiner von uns bisher innerhalb des Kreises
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