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1811 - Der Vogelmensch

1811 - Der Vogelmensch

Titel: 1811 - Der Vogelmensch
Autoren: Jason Dark
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können.
    Sie hielt sich tapfer. Sie war zäh. Sie konnte etwas vertragen. Dann hörte sie, wie das Telefon im Haus anschlug. Es war ihr jetzt egal. Sie ging nicht hin.
    Noch kämpfte sie an der Hausschwelle. Sie wollte nach vorn gehen, fürchtete sich aber von dem Schwindel, der sie erfasst hatte. Sie hatte das Gefühl, immer wieder ins Leere zu treten, und hielt sich weiterhin fest.
    Und dann war es vorbei.
    Geschafft!
    Sie lachte auf. Und diese Lachen begleitete sie auch hinein ins Haus. Mit einem Hackentritt kickte sie die Tür zu und lief einige torkelnde Schritte in den Flur hinein. Ihre dicke Kleidung legte sie nicht ab. Maxine wollte sich setzen und etwas zur Ruhe kommen. Danach konnte man sich um andere Dinge kümmern.
    Es ging gut. Sie fand den Weg in die Küche, ohne dass sie umkippte. Der Stuhl wartete auf sie, und sie streckte ihre Beine aus, wobei sie die Arme hängen ließ.
    Es gab keine Kälte mehr, es gab auch keinen Angreifer. Setzen, sich ausruhen, schlafen. Das waren Begriffe, die ihr durch den Kopf schossen. Aber sie wusste auch, dass es falsch war, so zu denken.
    Es gab etwas, was wichtiger war. Sie durfte sich nicht hängen lassen. Es gab eine Aufgabe, die sie lösen musste. Sie hatte nur noch nicht ihre Gedanken beisammen, aber das würde bald kommen, dessen war sie sich sicher.
    Sie holte immer noch tief Atem und verspürte plötzlich Durst, denn ihre Kehle war so gut wie ausgetrocknet.
    Und sie schaffte es, aufzustehen. Weg vom Stuhl, hin zum Kühlschrank, wo das Wasser stand. Sie sah sogar eine Flasche neben dem Kühlschrank stehen.
    Das war noch besser für sie. Die Flasche glitt wie von selbst in ihre Hand, und sie ging wieder zurück zu ihrem Stuhl. Dort trank sie einen kräftigen Schluck. Erst dann kam es ihr in den Sinn, sich von der dicken Winterkleidung zu trennen. Sie ließ die Klamotten einfach zu Boden fallen.
    Durchatmen.
    Diesmal klappte es besser. Sie hatte das Gefühl, wieder ihre Lunge füllen zu können. Ihre Sicht wurde klarer, und auch ihre Gedankenwelt klärte sich auf.
    Sie wusste, was passiert war, und war nun auch in der Lage, genauer darüber nachzudenken. Wieder hatte eine andere Seite zugeschlagen, aber da stellte sich die Frage, welche Seite das war. Sie wusste es nicht, obwohl sie diese andere Seite gesehen hatte.
    Sie war plötzlich da gewesen.
    Aber wer war da gekommen?
    Das war die große Frage, die sie nicht beantworten konnte. Sie hatte etwas gesehen, das stimmte, und sie wusste jetzt auch, was oder wer es gewesen war.
    Ein Vogel! Nein, nicht nur.
    Ein Riesenvogel, der zugleich Ähnlichkeit mit einem Menschen aufwies.
    Also ein Vogelmensch!
    Das war genau der Begriff, der bei ihr hängen blieb. Er war im Prinzip abartig, aber es gab diese Gestalt. Sie hatte sie gesehen. Sie musste sich auf dem Hausdach versteckt gehalten haben und war dann von oben herab nach unten gesprungen, um sich Carlotta, seine Beute, zu holen.
    In ihrem Kopf drehten sich die Gedanken. Es war ein Kribbeln, das sie nicht los wurde, und dann stieg noch etwas anderes in ihr hoch. Ein bestimmtes Gefühl, für das es auch einen Namen gab.
    Angst!
    Ja, eine kalte, erbärmliche Angst, der sie nichts entgegensetzen konnte. Aber sie galt nicht ihr, sondern ihrem Schützling Carlotta. So lange hatte sie jetzt bei ihr gelebt, und es war ihnen beiden gelungen, das Geheimnis zu bewahren, doch das sah sie jetzt gefährdet. Jemand hatte Carlotta entführt. Jemand konnte mit ihr machen, was er wollte.
    Wer war der Entführer?
    Sie konnte ihn beschreiben. Das wäre alles kein Problem gewesen, nur konnte sie damit nichts anfangen. Es war kein normaler Mensch, sondern eine Mutation.
    Ein Vogelmensch!
    Aber das war Carlotta auch.
    Er und sie – sie und er …
    So huschten die Gedanken durch ihren Kopf. Bisher war sie davon ausgegangen, dass damals nur ein Proband aus der Klinik des Professor Elax hatte fliehen können. Wenn sie jetzt an den Vogelmenschen dachte, dann musste die den Gedanken revidieren. Es konnte sein, dass noch jemand geflohen war.
    Und er war auf der Suche nach Gleichgesinnten gewesen. Er hatte endlich jemanden gefunden, mit dem er zusammen sein konnte.
    Maxine griff wieder zur Flasche und sah, dass ihre Hand zitterte. Fast wäre die Öffnung von ihren Lippen abgerutscht, so nervös war sie. Im letzten Moment konnte sie das Wasser noch trinken, und es tat ihr gut.
    Überhaupt ging es ihr immer besser. Sie spürte auch keine Furcht mehr in sich, die sie daran hinderte, normal zu denken.
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