Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
181 - Der ewige Turm

181 - Der ewige Turm

Titel: 181 - Der ewige Turm
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
Ventil!«, verstand Rulfan, und er begriff, dass er irgendeinen Hebel möglichst langsam umlegen sollte.
    Offenbar erwischte er den richtigen, denn das stampfende Geräusch der Maschine ertönte. Die Gondel hob sich vom Dach und entfernte sich langsam vom ewigen Turm. An dessen Dachkante standen zwei Dutzend Turmherrenkrieger. Einige spannten ihre Kampfbogen. Zwei oder drei Pfeile prasselten wirkungslos gegen die Außenwand der Gondel. Immer mehr Männer versammelten sich auf dem Dach und blickten dem Luftschiff hinterher. Aus den Stockwerken unter ihnen stieg Rauch auf.
    »Folgendes: Tiere sind verboten.« Der Mann am Fenster drückte seine Flinte in eine Wandhalterung und deutete erst auf Chira und dann auf ein prall gefülltes Netz, das in der Mitte der Gondel von der Decke herunterbaumelte. »Titana mag keine Konkurrenz.« Der dunkelhäutige Fremde sprach gebrochenes Englisch.
    Rulfan verstand ihn leidlich und fragte sich, woher der Mann wusste, dass er diese Sprache beherrschte. »Aber bei dir mache ich eine Ausnahme, Rulfan von Coellen.«
    »Hast du die Brücke zwischen den Türmen zerstört?«, fragte Rulfan. Er sank erschöpft auf den Boden.
    »Victorius hat die Hälfte seines Brennmaterials auf sie hinab geworfen und eine Menge Schwarzpulver. Das Räubergesindel durfte das arme Kind doch nicht verfolgen.«
    »Und ich?«, fragte Rulfan müde. »Es hätte mich fast das Leben gekostet.«
    »Aber nein.« Der hünenhafte Mann kam zu ihm. Er trug gelbe Wildlederhosen und eine Art blauen Frack darüber. Seine pinkfarbene Frisur schien eine Perücke zu sein. Er machte sich an der Schalttafel über Rulfan zu schaffen. »Victorius kennt dich gut.« Mit einer Kopfbewegung deutete er wieder auf das Netz. »Titana hat ihm viel über dich verraten. Er wusste, dass du aufs Dach fliehen würdest.«
    ***
    Sie hatten sich vor der Moscherune versammelt und winkten hinauf. Rulfan winkte aus dem offenen Fenster zurück. Die PARIS stieg in den Himmel. Sayona, Ballaya und die überlebenden Mitglieder ihres Stammes wurden kleiner und kleiner. Bald konnte Rulfan sie nicht mehr von Büschen und Bäumen des Gartens unterscheiden, der die Moscherune umgab, und kurz darauf den Garten nicht mehr von dem ihn umgebenden Wald.
    »Wenn mein Vater wüsste, dass Victorius mitgeholfen hat, diese Mörderbande zu besiegen, wäre er stolz auf ihn«, sagte Victorius. Rulfan wusste inzwischen, dass er ein Prinz und sein Vater ein Kaiser war. Dass er Telepath war und seine Zwergfledermaus über große Entfernungen als eine Art Verstärker einsetzte, wusste er auch. Der Schwarze redete gern und viel; und das in einem ulkigen Stil.
    Über den Ruinenwald hinweg schwebte die PARIS dem Meer entgegen. Ein gewaltiger Rauchpilz stieg zwischen zwei Hochhausruinen bis in die Wolken hinauf. Der ewige Turm war zusammengebrochen.
    »Wo kommst du her?«, fragte Rulfan den schwarzen Hünen in dem blauen Frack.
    »Aus Afrika.«
    »Aus Afra, meinst du. Das habe ich mir fast gedacht. Von wo dort?«
    »Wir sagen ›Afrika‹«, beharrte der Luftschiffpilot. »Das Reich meines Vaters liegt am Ufer des großen Sees, von dem Victorius seinen Namen hat.«
    »So, so. Und warum bist du allein unterwegs?«
    »Nur Victorius hat den Traum, nur er wurde gerufen.«
    »Gerufen?« An der Wand entlang rutschte Rulfan auf den Boden. Chira legte ihren Kopf auf seine Schenkel.
    Zärtlich kraulte er ihr Nackenfell.
    »Wer hat dich gerufen?« Rulfan runzelte die Stirn. Ihm schwante Übles.
    »Der brennende Felsen. Bei Nacht musste ich starten. Mein Vater, der Kaiser, wollte mich nicht gehen lassen. Meine Mutter, die siebte Königin, wollte mich nicht gehen lassen, wie auch meine Brüder, die Prinzen, und meine Schwestern, die Prinzessinnen.«
    »Du scheinst eine große Familie zu haben, was?«
    »Der Kaiser, seine neunundfünfzig Königinnen, meine einundachtzig Brüder, meine hundertsiebzehn Schwestern und viele, viele Nichten und Neffen.« Er schlug auf das Ruder seines Luftschiffs. »Die PARIS musste ich heimlich starten, denn ich habe sie aus der Flotte meines Vaters entführt. Er wird sehr, sehr böse sein.«
    »Und dieser brennende Fels liegt wahrscheinlich in Australien«, sagte Rulfan.
    »In Australie, meinst du. Richtig. Wenn Victorius den alten Karten seines Vaters trauen kann, liegt le rocher brûlant wohl in Australie.« Dicke Falten türmten sich auf seiner dunkelbraunen, breiten Stirn. »Aber woher weißt du das?«
    Rulfan seufzte tief. »Ich weiß es einfach.«
    ENDE
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher