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181 - Der ewige Turm

181 - Der ewige Turm

Titel: 181 - Der ewige Turm
Autoren: Jo Zybell
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genau auf die Stelle, an der die kleine Fledermaus gehangen hatte, und zerbrach in drei Teile. Einer traf Karzyan, als er herab fiel. Die Fledermaus aber drehte zwei Runden über dem Feuer und flog dann zur Balustrade. Über die eingezogenen Köpfe der Männer an der Mauerlücke hinweg flatterte sie in die Nacht hinaus.
    ***
    Sie trugen rotbraune Felle und waren mindestens einen Kopf kleiner als er selbst. Meistens bewegten sie sich auf zwei Beinen, jedoch in geduckter Haltung und in einem schaukelnden Gang. Rulfan versuchte diesen Gang nachzuahmen. Das war anstrengend, doch mit der Zeit gewöhnte er sich daran.
    Etwa drei Stunden lang pirschten sie so quer durch Wald und Ruinen, eine Stunde fuhren sie in einem Boot auf einem Flüsschen. Chira streifte ein paar Schritte entfernt von ihm durch das Unterholz. Sie bewegte sich vollkommen lautlos.
    Das Licht des abnehmenden Mondes lag wie silbrige Patina auf Schutthügeln, Baumwipfeln, Lichtungen und Ruinen. »Todesdreieck« nannten die Eingeborenen diesen Teil von Ka'El, das hatte Rulfan von Honbur und den Brüdern Sayonas gehört. Von ihrem Stammesführer, dem so genannten Scheiko wusste er, dass auf diesem Dschungelgebiet vor dem Kometeneinschlag einst das Zentrum der Stadt blühte, das »Goldene Dreieck.«
    Drei Stunden nach Mitternacht ging der Mond unter. Es wurde finster. Rulfans Begleiter schien das nichts auszumachen, im Gegenteil: Sie bewegten sich zielstrebig wie zuvor, gaben aber teilweise ihren schaukelnden Gang auf und suchten nicht mehr jede Deckung zu nutzen, wenn sie Lichtungen oder Wegkreuzungen überquerten.
    Schließlich, etwa zwei Stunden vor Sonnenaufgang, kletterten sie über Ruinen und bewachsene Trümmerhalden, an Mauerresten vorbei aus dem Wald und zum Rand einer Lichtung hinunter. Ein vielleicht anderthalb Meter breiter und mindestens drei Meter hoher Mauerrest ragte dort monolithisch aus Gras und Gestrüpp. Hinter ihm sanken alle fünf auf den Boden.
    Honbur und die drei Brüder Sayonas streiften die Schädel der Großaffen von ihren Köpfen, Rulfan entledigte sich gleich des ganzen Fells. Es war nass geschwitzt und stank nach Tier. Chira beschnüffelte es knurrend. »Das ist der Schutzpfandstein.« Honbur schlug mit der flachen Hand auf den Mauerrest. »An seiner Vorderseite werden sie in etwa einer Stunde Sayona festbinden.«
    Rulfan nickte nur. Er streckte sich im Gras aus und schloss die Augen. Seine Rolle im bevorstehenden Kampf hatte er sich selbst geschrieben. Sollten die Männer der Moscherunen die zehn Turmherrenkrieger, die gewöhnlich die Jungfrau abholten, nicht alle aufhalten können, dann würde er für Sayonas Sicherheit zuständig sein. Er hatte das so entschieden, und Sayona und ihre Sippe waren ihm dankbar dafür; so dankbar, dass sie ihm ihr Fischerboot für die Überfahrt nach Ausala versprochen hatten.
    Im Augenblick jedoch war Australien weit weg und Rulfan ziemlich sicher, dass die Jäger und Fischer der Moscherunen die zehn kampferprobten Räuber trotz ihrer sechsfachen Überzahl nicht alle würden aufhalten können. Wenigstens hatten Salbur und Halil zugesagt, in den Kampf einzugreifen.
    »Bist du bereit, Rulfan von Coellen?«, fragte Honbur.
    »Ja, wir sind bereit.«
    »Wir?«, wunderte Honbur sich.
    »Mein Lupa und ich.«
    »Gut. Dann lassen wir dich jetzt allein und gehen auf unsere Posten.« Honbur und seine künftigen Schwager sollten zu zwölf Moscherunen stoßen, die sich nicht weit entfernt im Wurzelgeflecht eines großen Baumes verschanzt hatten. Mit ihnen würden sie die Flanke der kleinen Turmherrenrotte angreifen und so zu deren Verwirrung beitragen.
    »Nun geht schon«, sagte Rulfan. Die jungen Fischer zogen ihre Affenmasken über die Köpfe und trollten sich.
    Zwei Atemzüge später bereits hörte Rulfan ihre Schritte nicht mehr.
    Chira drückte sich an ihn, leckte seine Hand und winselte zärtlich. Der Albino aus Euree legte seinen Kopf auf ihre Flanke. »Weck mich, wenn die Sonne aufgeht.«
    Kurz darauf schlief er ein.
    ***
    Sie hatte sich in den Schlaf geweint. Wie lange sie geschlafen hatte, wusste sie nicht. Ein Poltern krachte plötzlich durch ihren Angsttraum. Ballaya fuhr hoch.
    Ihre Lungen schienen sich mit Eis zu füllen – jemand pochte an die Eisentür. Nicht an die, durch die sie in die Brücke gelangt war, sondern an die, durch die man in die Hölle gelangte, in den ewigen Turm.
    Wieder und wieder schlug jemand mit einem schweren Gegenstand von außen gegen die Tür. Ballaya hörte Stimmen.
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