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1802 - Stiefkinder der Sonne

Titel: 1802 - Stiefkinder der Sonne
Autoren: Unbekannt
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einen News-Spot? Daß seine Aufnahmen dem Eingeborenen vielleicht die Seele raubten, zumindest nach dessen Selbstverständnis, das zog er nicht einen Augenblick lang in Erwägung. Solche Überlegungen schob er lichtjahreweit von sich.
    In ihrem Beruf waren Skrupel ein Luxus, den sie sich nicht leisten durften. Weil schon manche vielversprechende Karriere sehr schnell daran zerbrochen war.
    Keiner der beiden Männer achtete auf die „Waffe" des Eingeborenen. Erst als Sibyll Norden das unterarmlange, metallisch glänzende Gebilde aufhob, wurde ihnen ihr Versäumnis bewußt.
    Sibyll spürte weiche, zuckende Bewegung unter ihren Fingern. Als erwecke ihre Körperwärme das Ding zum Leben.
    Für einen kurzen Augenblick war sie versucht, das seltsame Etwas wegzuwerfen. Doch ihre Neugierde siegte. Und dann richtete Adasta die Kamera auf ihre Hände.
    An mehreren Stellen gleichzeitig brach die Metallhaut auf. Bleiche, sich dem Scheinwerferlicht entgegenwindende Knospen erschienen. In Gedankenschnelle wuchsen sie etwa doppelt fingerlang und öffneten sich zu atemberaubend schöner Blütenpracht. Gegen diese Schönheit verblaßten sogar irdische Orchideen.
    Ebenso schnell welkten die Blüten. Als wäre der Zeitraffer immer noch aktiv.
    Oder wieder?
    Ihre Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. Sibyll hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.
    Das Ding in ihren Händen welkte. Schnell zog es sich zusammen, wurde faltig und schlaff und begann auseinanderzubrechen.
    Die Blüten wurden zu Fruchtansätzen und diese zu faustgroßen gelben Früchten, die aufplatzten und ein saftiges Fruchtfleisch erkennen ließen, sobald sie zu Boden fielen.
    „Nein ...", keuchte Sibyll erstickt. „Nein ..."
    Panik erfüllte sie. Ihr Herzschlag raste, drohte den Brustkorb von innen zu zersprengen.
    Weg von hier, fort aus denn Bereich des Zeitraffers, in dem Sekunden zu Jahren wurden.
    Fort von dieser Welt!
    Sie hörte, daß Gloom Bechner auf sie einredete - doch sie verstand nicht, was er sagte. Seine Stimme klang dumpf, fast zur Unkenntlichkeit verzerrt.
    Kräftige Fäuste schlossen sich um ihre Oberarme. In erneut aufwallender Panik schlug sie um sich, kratzte und schrie und schaffte es irgendwie, sich loszureißen. Sie taumelte, raffte sich auf, hetzte davon.
    Wie viele Minuten schon?
    Jahrzehnte in Wirklichkeit.
    Verfluchte Zeit!
    Schemenhafte Gestalten wuchsen vor ihr auf. Zu spät, als daß sie noch hätte ausweichen können. Sie prallte gegen weiche, nachgiebige Leiber, fühlte rauhe Hände über ihren Körper tasten und hörte unverständliche, nasale Laute.
    Alles war ihr egal. Irgendwie schaffte sie es, sich den Durchgang zu erkämpfen. Dann der Korridor, sie prallte gegen die Wand, riß sich die Thermokombination auf - und fühlte, wie die kalte Nachtluft sie umfing.
    Ihre erster Blick ging zum Himmel. Die Sterne waren noch da, wenngleich ihre Zahl deutlich geringer geworden war. Wolken zogen auf, das Wetterleuchten hatte sich verstärkt. Aber das war letzten Endes egal.
    Nur die Tatsache, daß die Sterne verheißungsvoll funkelten, zählte. Die Zeit lief ihr also nicht davon.
    Jetzt, im Moment, war immer noch der 12. Oktober 1288 NGZ.
    Tief sog Sibyll Norden die verdichtete, kühle Luft in ihre Lungen. Ihre Sinne klärten sich.
    Sie lehnte an der Hauswand, erschöpft, aber glücklich. Dreißig Meter entfernt, von Nebelschwaden umflossen, sah sie Trokaner, die sie ihrerseits regungslos musterten.
    „Wartet!" rief sie. „Geht nicht weg!"
    Doch schon einen Lidschlag später hatten Dunst und Dunkelheit die Eingeborenen verschluckt.
    Als sie an ihre Begleiter dachte, war es ihr, als würde ihr der Boden unter den Füßen weggezogen. Wie viele Trokaner hatten den Raum betreten? Sie wußte es nicht, konnte nur hoffen, daß nicht neue Mißverständnisse neue Probleme schufen.
    Aber war es für eine friedliche Verständigung nicht längst zu spät?
    Warum? schoß es ihr durch den Sinn. Warum sind wir Menschen so?
     
    8.
     
    Sie nannten sich selbst „Herreach" und ihren Planeten schlicht und einfach „die Welt". Von der Existenz anderer Welten hatten sie nichts gewußt, gleichwohl schien ihr Volk schon in früher Zeit geniale Köpfe hervorgebracht zu haben, die aufgrund ihrer Beobachtung der Natur ein erstaunlich stimmiges Weltbild entwickelt hatten. Nur hatten diese Genies nicht die Beachtung gefunden, die ihren Thesen zugestanden hätte.
    Flüchtig kamen Cistolo Khan Namen wie Galileo Galilei und Johannes Kepler in den Sinn. Es
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