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1801 - Die Herreach

Titel: 1801 - Die Herreach
Autoren: Unbekannt
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hatte. Zuerst nur ein paar, dann immer mehr. Von überall her kamen sie nun, aus allen Gegenden der Stadt. Viele trugen die weißen Gewänder der Clerea, aber es waren auch zahlreiche Pilger, Jünger Kummerogs und normale Stadtbewohner dabei. Obwohl sich im Verlauf weniger Stunden alles verändert hatte, obwohl praktisch eine Welt zusammengebrochen war, füllte sich der Platz mit Tausenden von Herreach. Und als Presto Go fast das Gefühl hatte, es sei so etwas wie Normalität eingekehrt, da ereignete sich die allerletzte Sensation.
    Raunen und Flüstern, von wo auch immer. Die Künderin folgte den Blicken, legte den Kopf in den Nacken, starrte aufwärts wie alle anderen. Vom Himmel herab senkte sich ein schwarzer Schatten. Zuerst war’s nur ein dunkler Kreis, dessen Umfang gegen die funkelnden Lichtpunkte rasant anwuchs.
    „Es ist groß", sagte jemand mit zitternder Stimme.
    Presto Go antwortete tonlos: „Ja. Es ist unvorstellbar riesig."
    Das Ding am Himmel wuchs immer noch, mittlerweile erkannte man deutlich einen kugelförmigen Körper.
    „Warum fällt es nicht herunter?"
    „Ein schwebender Berg! Das kann es nicht geben!"
    „Aber wir sehen es ja gerade..."
    Die Kugel mußte ähnlich groß sein wie der Kummerog-Tempel, ungefähr ein Kilometer Durchmesser.
    Was, wenn der schwebende Berg sich auf den Platz herabsenkte? Wenn alle Herreach unter einem nicht mehr vorstellbaren Gewicht zerdrückt wurden?
    Zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit schloß die Künderin mit ihrem Leben ab. Selbst wenn sie versucht hätte wegzulaufen, es hätte längst nichts mehr genützt. Das Ding am Himmel kam immer nähe" Diesmal blieb es still auf dem Platz, von Panik keine Spur. Weniger nervenstarke Herreach hatten sich gar nicht herangewagt, waren in Hütten oder Häusern geblieben.
    Der Luftzug der Winde mischte sich mit einem deutlich wahrnehmbaren Zug von oben. Einmal noch gab’s eine Drift zur Seite, hundert Meter nach rechts, dann kam das schwebende Gebirge endgültig herunter.
    Seine Abwärtsbewegung endete wenige Meter über dem Boden.
    Und nun: Stillstand, keine Geräusche. Presto Go spürte förmlich, daß etwas Schreckliches in der Luft lag. Die Kugel und der Tempel, die Helligkeit und die Dunkelheit - all das war viel zuviel.
    „Was passiert jetzt?"fragte jemand in gepreßtem Herrod.
    „Keine Ahnung. - Vielleicht ist alles vorbei. Möglich, daß wir alle sterben müssen. - Anzunehmen! - Und was ist mit Kummerog? Könnte es sein, daß die Kugel Kummerogs Feind ist? Ein zweites Haus für Götter?"
    Presto Go hörte den Stimmen zu, sagte selbst jedoch keinen Ton. Sie starrte nur die Kugel an. Ein Teil der Wölbung ragte hoch oben über sie hinweg. Man konnte deutlich erleuchtete Punkte sehen, und in deren Nachbarschaft hoben.sich gemaserte Stellen ab, die wahrscheinlich mit Aufbauten identisch waren. Die oberste Künderin fühlte sich an eine schwarze Eisenbahn erinnert, nur eben in Kugelform und von unfaßbarer Größe.
    Ganz unten an der Kugel, fünfzig Meter über dem Boden, tat sich etwas. Ein hell erleuchtetes Viereck wurde plötzlich sichtbar.
    Presto Go brauchte ein bißchen, bis sich ihre Augen an die Beleuchtung gewöhnten. Durch die Reihen der Herreach lief ein stöhnendes Geräusch. Derselbe Vorgang wie am Tempel? Als sich die Pforte geöffnet hatte?
    „Da!"
    „Habt ihr’s gesehen?"
    „Ja. - Ja!"
    Vor die gleißend helle Beleuchtung schob sich ein schwarzer Schatten. Er hatte zwei Arme, zwei Beine und einen Kopf. Und obwohl die Szene fünfzig Meter entfernt war, erkannte Presto Go mit schmerzhafter Deutlichkeit: Die Gestalt war fremd. Was sie zu sehen bekamen, das war alles mögliche, aber sicher kein Herreach. ‘ „Kummerog?" fragte jemand.
    „Nein."
    „Aber wer ist es dann?"
     
    ENDE
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