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1801 - Die Herreach

Titel: 1801 - Die Herreach
Autoren: Unbekannt
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meinen Schlaf, erfülle meine Wünsche, und lenke meine niemals endende Wanderschaft.
    Der Riese setzte sich mit schwankenden Schritten in Bewegung. Presto Go konnte ihn tapsen hören.
    Teilnahmslos verfolgte sie Bewegungen, die zusehends an Sicherheit gewannen.
    Unter den Pilgern herrschte sekundenlang atemloses Schweigen, das letzte Murmeln war verstummt.
    „Schimbaa!" schrien sie mit einemmal. „Schimbaa, öffne das Tor! - Schimbaa, befreie Kummerog!"
    Etwas stimmt nicht.
    Etwas geht vor.
    Die oberste Künderin merkte, wie die Falten ihres gelben Gewandes erzitterten. Wind? Unsinn, nicht der geringste Luftzug teilte den Smog. Durch den Boden lief ein grollendes Geräusch, man spürte regelrecht die Vibration, die aus großer Tiefe nach oben stieg. Außer ihr schien niemand den ungewöhnlichen Vorgang zu bemerken.
    Schimbaa stapfte mit schweren Schritten auf das 19 Meter hohe Viereck der Pforte zu. Der Riese streckte seine Arme aus, und die anfeuernden Rufe erreichten einen betäubenden Lautstärkepegel.
    „Das kann nicht sein ... !"
    Der Boden schüttelte sich unter einem heftigen Stoß. Presto Go begriff, daß sie ein Erdbeben erlebte. In der Stadt Keerioch gab es so etwas häufiger, wie man hörte. Aber in Moond?
    Der Riese stemmte sich unter ohrenbetäubendem Geschrei der Pilgerschar gegen die Pforte. „Schimbaa!
    Schimbaa, öffne das Tor! - Schimbaa, befreie Kummerog!"
    Und plötzlich fielen unzählige Blicke auf einen gleißend hell erleuchteten Streifen.
    Das Beben! Presto Go wußte sofort, es hatte mit dem Beben zu tun. Die Erkenntnis war völlig instinktiv, bevor sie überhaupt realisiert hatte, was geschah.
    „Schimbaa! - Schimbaa, öffne das Tor ...!"
    Aus der strahlenden Bahn wurde ein meterbreiter Streif. Die Pforte! Die Pforte öffnete sich! Das Ewigkeiten währende Streben der Herreach, auf eine nicht erklärbare Weise schien es sich nun zu erfüllen.
    Für Presto Go war das unbegreiflich. Eine unsensible, dumme Menge dieser Art? Und diese Herneach wollten das Undenkbare vollbracht habe?
    Mit starrem Schrecken betrachtete sie den Vorgang. In ihrem Volk drehte sich alles um Kummerog und das Tor, das geöffnet werden mußte. Daß es sich aber wirklich öffnete, war im persönlichen, ureigenen philosophischen Konzept der Künderin nicht vorgesehen.
    „Schimbaa! - Schimbaa!"
    Die Menge drehte durch.
    „Verdammt, brüllt nicht so!" schrie sie.
    Aber niemand hörte.
    Der Riese verlor sichtbar an Substanz, je mehr die Jünger Kummerogs aus der Trance gerissen wurden.
    Schimbaa verblaßte, und die Pforte öffnete sich zur vollen-Größe von 19 mal 17 Meter.
    Dahinter wurde eine Art strahlend heller Korridor sichtbar, der an ein unbekanntes Ziel im Inneren führte. Zum allerersten Mal in der Geschichte der Herreach hatten sie den Beweis, daß es sich beim Tempel nicht um einen Berg, sondern wirklich um ein Bauwerk handelte. Mit anderen Worten: Jemand hatte den Tempel gebaut, errichtet. Er war nicht von Göttern gemacht, sondern bestand aus Wänden, Boden und Decke.
    Irgendwer stürmte auf den Platz; ein namenloser Herreach. Die anderen folgten kopflos, keiner wollte der letzte sein. Ihr kollektiver Aufschrei ähnelte einem kreischenden Wirbelsturm. Presto Go sah sich von einem nicht mehr kontrollierbaren Strom umringt. Nur ihrem gelben Gewand verdankte sie’s, daß sie nicht mitgerissen und in Richtung Tempelpforte gespeilt wurde.
    Hundert Pilger erreichten als erste die sandsteinfarbene Wand. Es war eine fürchterliche, vollständig ungesteuerte Aktion mit katastrophalem Ende. Denn die Pforte, so einladend sie offenstand, wurde durch einen unsichtbaren Vorhang gegen ungebetene Besucher abgeschirmt.
    Presto Go sah dutzendweise Pilger brennen, ihre Körper zu Asche verglühen. Wann begreift ihr endlich? Öffnet doch die Augen! Wenn ich es sehen kann, warum dann ihr nicht?
    Während sie dem Sterben zusah, das erst ganz allmählich endete, näherte sich ein Bote im weißen Gewand der Clerea.
    „Aber ... Was ..."
    Zuerst wollte sie ihn nicht beachten. Welche Bedeutung konnte jetzt eine Botschaft haben? Angesichts der Tatsache, daß jeden Augenblick mit Kummerogs Erscheinen zu rechnen war - was zählte da der Rest der Welt? Aber Presto Go besann sich eines Besseren, sie wußte selbst nicht, wieso.
    „Still! Gib her!"
    Fassungslos reichte der Bote der Künderin eine telegrafische Nachricht. Der Text stammte von einer Eisenbahnstation nahe der Ebene von Norrfa. VERWÜSTUNG ÜBERALL. DIE LUFT UND DIE ERDE
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