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1774 - Ranjas Rudel

1774 - Ranjas Rudel

Titel: 1774 - Ranjas Rudel
Autoren: Jason Dark
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Montrose. Eine Station vor Dundee.
    Ein letztes Rappeln noch, ein Nachschieben, dann hielt der Zug im Bahnhof.
    Fliehen oder bleiben?
    Er konnte es nicht sagen. Irgendwie verspürte er auch eine aufkeimende Angst, und er traute sich nicht, aufzustehen und zur Tür zu gehen, obwohl das Unsinn war.
    Vom Gang her waren Schritte und Stimmen zu hören. Jemand lachte überlaut. Fahrgäste passierten ihre Tür, schauten kurz in das Abteil und zogen sich sofort wieder zurück, wenn sie sahen, von wem es besetzt war.
    Plötzlich wurde alles anders. Toby Bell gab sich einen Ruck. Er schoss förmlich von seinem Sitz hoch. Er wusste selbst nicht, wie es dazu gekommen war. Er spürte sogar einen leichten Schwindel, fing sich wieder und streckte die Hand nach seinem Trolley im Gepäcknetz aus. Dabei rechnete er damit, von dieser Ranja zurückgehalten zu werden, was aber nicht eintrat. Etwas anderes hielt ihn zurück.
    Es war das Knurren!
    Den Arm hielt er schon halb ausgestreckt, als hinter ihm dieser Drohlaut erklang, und den nahm er intensiver wahr als einen Befehl dieser Ranja.
    Nein, er ging nicht. Der Zug rollte ja schon wieder, und er drehte sich um, weil er sich wieder setzen wollte. Dabei schaute er nach unten, und er sah jetzt die Augen der Tiere, die ihre Blicke auf ihn gerichtet hielten.
    Es war zwar Unsinn, aber er las in ihnen Befehle, gegen die er nicht ankam. Er musste auch die spöttischen Blicke der Frau ertragen.
    »Nun?«
    »Ich – ähm – habe es mir überlegt.«
    »Und weiter?«
    »Ich werde noch warten.«
    »Womit?«
    »Eigentlich wollte ich mir etwas zu essen und zu trinken besorgen. Das werde ich dann später machen.«
    »Ja, tu das.« Ranja lächelte. Sie sah, dass er unschlüssig herumstand und nickte ihm zu. »Setz dich wieder.«
    »Ach nein, ich...«
    »Setzen!« Sie hatte das Wort wie einen Befehl ausgesprochen.
    Toby Bell wollte protestieren und hörte dann das leise Knurren der Wölfe. Er ließ sich wieder auf seinen Sitz fallen und schaute aus dem Fenster. Draußen war es mittlerweile dunkel geworden. Von der Landschaft war so gut wie nichts mehr zu sehen. Nur ein paar Lichter huschten ab und zu vorbei. Sie kamen schnell und waren ebenso rasch wieder verschwunden.
    »Möchtest du meine Freunde mal streicheln?«, wurde Toby Bell gefragt.
    »Nein, nicht unbedingt. Warum auch?«
    »Du könntest dich schon an sie gewöhnen.«
    »Wieso? Muss ich das?«
    »Es wäre besser, wirklich.«
    »Und warum?«
    »Weil sie dich als Opfer ausgesucht haben.« Sie fing an zu lachen. »Sie haben lange keine Beute gehabt und sich nur versteckt gehalten. Wir haben Vollmond, und seine Kraft wird dafür sorgen, dass sie sich Blut holen müssen.«
    »Mein Blut?«
    Ranja nickte. »Auch dein Blut. Aber sie werden bestimmt noch mehr Opfer finden. Dieser Zug ist für sie wie ein Gabentisch. Sie werden ihn durchstreifen und sich ihre Opfer holen. Das ist es, worauf ich mich freue.«
    Tobias Bell konnte nichts erwidern. Er saß auf seinem Platz und starrte ins Leere. Das Gehörte ließ er sich noch mal durch den Kopf gehen. Er begriff es einfach nicht, aber er schaute zu, wie ein Wolf sich leicht drehte und sich so aufrichtete, dass er den Mann anschauen konnte.
    Auch Bell sah direkt in dieses Augenpaar, das ihm so kalt und eisig vorkam. Er wusste nicht, was die Veränderung der Haltung bedeutete, und wurde wenig später eines Besseren belehrt, denn da richtete sich der Wolf auf und legte seine Vorderbeine auf die Knie des Mannes.
    Das hatte auch Ranja mitbekommen. Zuerst lachte sie, dann sagte sie: »Er mag dich, Toby. Er hat dich zum Fressen gern...«
    ***
    Ich gehöre zu den Menschen, die Gelegenheiten ausnutzen und das Beste aus ihnen zu machen versuchen. So war es auch in diesem Fall. Ich hatte eine bequeme Haltung eingenommen, schloss die Augen und war tatsächlich wenig später eingeschlafen.
    Ja, so muss das sein, dachte ich noch.
    Mir war bekannt, dass der nächste Haltepunkt Edinburgh war. Bis dahin wollte ich mindestens schlafen, was ich aber nicht schaffte, denn ich wurde wach, als die Abteiltür heftig aufgezerrt wurde.
    Ich schrak zusammen, schaute nach links und hörte die leicht quäkende Stimme einer Frau.
    »Ach ja, hier ist ja noch viel frei. Sie haben doch nichts dagegen, Mister?«
    Ich rieb erst mal meine Augen und schaute dann genauer hin. Es war eine schon ältere Frau, die das Abteil betreten hatte. Einen Koffer hatte sie nicht bei sich, sondern nur zwei Reisetaschen aus Stoff. Sie waren mit Holzbügeln
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