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1762 - Vorstoß nach Schingo

Titel: 1762 - Vorstoß nach Schingo
Autoren: Unbekannt
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Pheratesch. „Tu es nicht! Es ist unrecht. Wir sind unschuldig."
    Clarven lachte erneut. Sein Gesicht blieb starr, doch seinem Mund entschlüpfte dieses Blubbern, wie er es von Halena Diza kannte. Bei ihm klang es nur wesentlich heller und jünger.
    „Ich radiere dich aus, du Verräter! Mir ist es egal, ob du für die Crypers arbeitest oder für andere subversive Kräfte. Ich entferne dich aus Ammach, meinem Reich. Schau hin, so geht das!"
    „Nein", jammerte Pheratesch. „Tu es nicht, mein Fürst."
    Clarven schaukelte auf seinen kurzen Beinen auf und nieder.
    „Es ist ganz leicht. Sieh nur."
    Pheratesch begann zu schreien. Seine Augen traten aus dem Kopf hervor, das Hellblau der Augäpfel war von dunklen Äderchen durchzogen.
    „Mit einer Bewegung meiner Finger lösche ich deine Existenz aus, Stück für Stück."
    Noch immer schrie der Handelskapitän. Er verlor das linke Bein, dann den rechten Arm und schließlich auch das rechte Bein. Der Rumpf stürzte zu Boden und löste sich langsam auf.
    Schließlich blieb nur der Kopf übrig. Der breite Mund bewegte sich unablässig.
    „Gnade, Fürst Clarven. Gnade für mich!"
    Einen Atemzug zauderte der Herrscher des Ammach-Oktanten, dann annullierte er die Existenz des Hamamesch endgültig.
    „Gnade", murmelte Clarven. „Welch ein Unfug. Ich nehme oder gebe. In diesem Fall habe ich genommen. Mein Reich verlangt, daß ich Entscheidungen fälle. Alles andere spielt keine Rolle.
    Ich bin müde."
    Jetzt endlich verließ er Shourachar, und der Pfeifton verstummte. Über einen der Bildschirme der Anlage flirrte eine Warnung. Er ignorierte sie.
    Mühsam fanden seine Gedanken und Sinne in die Wirklichkeit zurück. Clarven erhob sich aus dem reichlich gepolsterten Sitzwagen. Schwankenden Schrittes machte er sich auf zu einem seiner Ruheräume.
    Draußen im Korridor wartete einer der Lakaien in dieser merkwürdig diagonal geschnittenen Dienstkleidung auf ihn. Er bewegte sich unsicher wie alle, die sich in die Nähe Shourachars wagten.
    „Ein Hoch auf Clarven, unseren Fürsten!" rief er. „Die Kanzlerin möchte dich sprechen. Es geht um wichtige Dokumente ..."
    „Ich will sie jetzt nicht sehen. Sie soll morgen wiederkommen. Mit den Unterschriften wird es keine Eile haben."
    Der dienstbare Geist, einer unter vielen und jederzeit austauschbar, bestätigte seine Worte durch monotone Wiederholung und entfernte sich eilig.
    Eine Weile blickte der Fürst ihm nach, dann setzte er seinen Weg mit unregelmäßigen Schritten fort. Wie immer, wenn er Shourachar verließ, hatte er Schwierigkeiten, sich in der Umgebung zurechtzufinden. Er nahm es hin, wie man Dinge hinnahm, die man nicht aus eigener Kraft verändern konnte.
    Clarven behielt sein Problem für sich. Die Kanzlerin ging es nichts an, und vor den Lakaien wollte er sich nicht blamieren. Vielleicht würde er eines Tages mit Eiderlo darüber reden.
     
    *
     
    Seyllen: Sydorrier zählten zu dem, was die Völker in Hirdobaan mehr schätzten als alles andere. Ihr Scharfsinn und ihre hohe Intelligenz machten sie berühmt. Neben ihrer Eloquenz, ihrem Stolz und ihrer Unnahbarkeit zählten Treue und Ehrlichkeit zu ihren herausragenden Merkmalen.
    Wer sich einen Sydorrier als Sklaven oder dienstbaren Geist halten konnte, galt etwas im Staat, und er bemühte sich folglich, diesen Ruf zu erhalten. Sydorrier hätschelte man und widmete ihnen jede erdenkliche Gunst. Manchmal lebten sie sogar in größerem persönlichen Luxus als ihre Herren, und vermutlich gab es nur einen einzigen Ort, an dem dies nicht so war: Seyllen, die Inselresidenz des Fürsten.
    Viele bezeichneten Eiderlo als den Schatten der Insel, unauffällig, meist sogar unsichtbar. Ab und zu erschien er und spielte den schweigenden, interessierten Zuschauer. Wenn Eiderlo irgendwo auftauchte, dann kündeten sich wichtige Ereignisse an.
    Allein die Überwachungsanlagen registrierten, daß sich der Sydorrier auf dem Weg zu seinem Fürsten befand. Wie immer benutzte er Korridore und Pfade, die sonst Fürst Clarven vorbehalten blieben. Von der Sonderanweisung des Herrschers an die Datenzentrale wußte niemand, nicht einmal die Kanzlerin. Ihren Kontrolleuren entzog sich der Sydorrier auf unbegreifliche Weise.
    „Eiderlo kommt, mein Fürst."
    Clarven kehrte langsam aus den Gefilden seiner Träume zurück in die Wirklichkeit und wälzte sich herum. Er starrte die Insignien über dem Ruhelager an, die ihn als Fürsten auszeichneten. Mit krustenverklebten, verschlafenen Augen gesehen,
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