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1729 - Totenliebe

1729 - Totenliebe

Titel: 1729 - Totenliebe
Autoren: Jason Dark
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wusste von mir, aber woher kannte sie mich? Ich wusste es nicht. Mir war bekannt, dass sie einen Toten liebte, und das war für mich rätselhaft genug, denn ich glaubte nicht daran, dass dieser Typ ein verstorbener Verwandter war. So einfach lag der Fall nicht, da musste es schon einen ungewöhnlichen Hintergrund geben.
    Warten – oder?
    Etwas geschah. Ich wusste nicht, was. Ich sah es auch nicht. Ich nahm es nur wahr. Es war mehr ein Fühlen, das meinen Instinkt erweckt hatte, und ich sah plötzlich recht nah eine Bewegung, die nicht von einem Tier stammte.
    Ich drehte mich nach rechts – und zuckte nicht mal zusammen, denn ich hatte mich innerlich darauf eingestellt, die Frau zu sehen, die mich angerufen hatte.
    Noch stand sie etwas entfernt und nicht weit von einem Grabsteinengel weg. Aber sie fiel durch ihr helles Kleid auf, das nicht zu übersehen war.
    »Elisa?«, rief ich.
    »John Sinclair?«
    »Wer sonst?«
    »Das ist gut. Gütiger Himmel, ich hätte nicht gedacht, dass es so weit kommen würde.«
    »Sie haben mich angerufen.«
    »Das stimmt.«
    »Und jetzt?«
    »Werde ich zu Ihnen kommen, John Sinclair…«
    ***
    Darauf hatte ich gewartet, und mir fiel sogar ein Stein vom Herzen. Die Fahrt und die Warterei waren also nicht umsonst gewesen. Elisa, die Nonne, hielt Wort und setzte sich in Bewegung. Sie löste sich aus der Nähe des Grabsteins und kam auf dem kürzesten Weg auf mich zu, wobei sie über Graberde schreiten musste und durch hohes dichtes Gras.
    Wäre es normal hell gewesen, ich hätte sie schon besser sehen können. So aber kam sie mir für eine Weile vor wie ein Waldgespenst, was an ihrer hellen Kleidung lag. Beim Näherkommen erkannte ich ihr Outfit besser. Sie trug keinen Mantel, sondern ein Kleid, das weit geschnitten war, bis über die Waden reichte. Es war recht hoch geschlossen und hatte weite Ärmel, deren Stoff bis zu den Ellbogen hochgeschoben war.
    Wenig später stand sie vor mir und reichte mir die Hand.
    »Ich bin Elisa.«
    Ich nahm die Hand, die sich leicht feucht anfühlte, aber einen festen Druck hatte.
    »Und ich John Sinclair.«
    »Ich wusste, dass Sie kommen würden.«
    Auch ich war jetzt froh darüber, doch von einem Gedanken musste ich mich verabschieden. Vor mir stand eine Frau, aber keine Nonne. Zumindest trug sie den Habit nicht.
    Ich konzentrierte mich auf das Gesicht. Es gehörte einer noch jungen Frau, die ich etwa auf dreißig Jahre schätzte. Ein rundes Gesicht, braunrotes Haar, das strähnig und lockig zugleich war, und in ihrem Gesicht fielen besonders die großen braunen Augen auf und der kleine Kussmund.
    »Sieht so eine Nonne aus?«, fragte ich.
    Elisa lächelte. »Wer weiß, aber um mich geht es nicht, denn ich bin nicht wichtig.«
    »Und um wen geht es dann?«
    »Um den Menschen, den ich liebe.«
    »Das heißt, um einen Toten.«
    »So ist es.« Sie gab diese Antwort, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, dass man einen Toten liebt, und ich war gespannt, welche Erklärung mich erwartete.
    Zunächst geschah nichts. Elisa schaute mich zwar an, dennoch ins Leere. Dann lächelte sie verhalten und nickte, als hätte sie eine Antwort gegeben.
    Dann übernahm ich das Wort. »Ich denke, dass wir diesen Toten hier auf dem Friedhof finden – oder?«
    »Sicher.«
    Das war immerhin etwas.
    »Hat er auch einen Namen?«
    Elisa sprach ihn mit leiser Stimme, aber recht deutlich aus. »Er heißt Eric Turner.«
    Ich dachte über den Namen nach. Außergewöhnlich war er nicht. Er klang normal. Aber ich konnte nichts mit ihm anfangen. Im Moment sagte er mir nichts. Eric Turners gab es bestimmt zahlreiche.
    »Dann weiß ich schon mehr«, sagte ich und lächelte. »Und Eric Turner ist tot?«
    »Das ist er.« Sie nickte ins Leere.
    »Wollen Sie mir denn nicht sein Grab zeigen? Deshalb haben wir uns doch getroffen. Oder gab es einen anderen Grund?«
    »Ähm – nein, ich denke nicht.«
    »Dann bitte.«
    Elisa schaute mich an. Sie suchte etwas in meinem Gesicht, ohne es auszusprechen.
    »Habe ich etwas an mir?«, fragte ich.
    »Nein, nein, das nicht. Ich bin nur froh, den richtigen Menschen getroffen zu haben.«
    »Abwarten.«
    »Doch, das sehe ich so.« Sie lächelte mich an und streckte mir plötzlich die Hand entgegen, die ich nahm.
    »Kommen Sie mit?«
    »Gehen wir jetzt zum Grab?«
    »Ja, genau…«
    ***
    Ich wollte nicht behaupten, dass Elisa immer rätselhafter wurde, aber seltsam war sie schon. Man konnte es mit dem Ausdruck sprunghaft bezeichnen. Zum einen war
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