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1720 - Die Nacht der Voodoo-Queen

1720 - Die Nacht der Voodoo-Queen

Titel: 1720 - Die Nacht der Voodoo-Queen
Autoren: Jason Dark
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Frühling war bereits da, und die Tage waren länger geworden. Bei Anbruch der Dämmerung hatte sie ihr Ziel erreicht, und sie hatte sich vorgenommen, sich so früh wie möglich zum Schlafen hinzulegen.
    Sie hatte geduscht und sich danach nicht mehr normal angezogen. Unter dem umhangähnlichen Mantel war sie bis auf einen Slip nackt und genoss den weichen Samt auf ihrer Haut, der das Futter des Kleidungsstücks bildete. Der Mantel stand offen. An beiden Seiten war er mit einer kostbar wirkenden Brokatleiste abgesetzt.
    Sie hatte sich ihren Lieblingsplatz ausgesucht.
    Marietta saß in ihrem Kreis. Sie hatte vorgehabt, sich in eine Meditation zu begeben und zu versuchen, einen Blick in die Zukunft zu werfen. Das war selbst für sie so gut wie unmöglich, aber sie war eine Frau, die sehr viel auf Stimmungen gab, in sich hineinhorchte und versuchte, gewisse Stimmungen einzufangen, die auf sie zukommen würden und jetzt noch im Verborgenen lauerten.
    Dabei achtete sie stark auf ihr Gefühl. Sie kommunizierte damit, denn wenn es gütig gesinnt war, dann fühlte sie, dann spürte sie, ob etwas Gutes oder Schlechtes auf sie wartete.
    Entgehen konnte sie dem nicht, aber sie konnte sich darauf einstellen, und das war schon viel wert.
    In der Hand hielt sie eine Puppe. Es war ein Geschenk ihres Lehrers. Sehr schlicht und einfach, fast plump, aber durch die Magie, die in der Puppe steckte, ungemein wertvoll.
    Zwar gab es auch bei den Voodoo-Anhängern einen obersten Gott, der als Bon Dieu oder Bondyé bekannt war. Er stand außerhalb der Reichweite eines normalen Sterblichen und war von einem Pantheon von Geistern umgeben, die er als seine Botschafter ausschickte, um mit den Menschen Kontakt aufzunehmen.
    Darauf setzte sie. Die Geisterwelt war ein Phänomen und von einem Menschen nicht zu durchdringen, aber wer als Voodoo-Priesterin die richtigen Wege wusste, dem waren die Geister hold.
    Und so versuchte Marietta über ihr kleines Erbstück an diese Botschafter heranzukommen, die ihr dann ein gutes oder auch ein schlechtes Gefühl für die nahe Zukunft gaben.
    Das war Marietta nicht neu. Sie hatte sich den Rat schon des Öfteren geholt und war gespannt, welche Botschaft man an diesem Abend für sie hatte.
    Die kleine Figur, die aus Stein bestand, hatte in groben Zügen den Umriss eines menschlichen Körpers. Aber das Äußere war nicht wichtig. Viel wichtiger war, was in ihr steckte, und das war etwas ganz Besonderes, da hatten die Geister ihr Erbe hinterlassen, um ihre Künste und ihr Wissen an sie weiterzugeben.
    Die Puppe hatte sie noch nie im Stich gelassen, und auch an diesem Abend änderte sich das nicht. Marietta ließ den Gegenstand durch ihre Hände gleiten. Sie streichelte die Puppe, sie flüsterte ihr etwas zu, küsste den Gegenstand, ließ ihn dann wieder sinken und schloss die Augen.
    Marietta hoffte, dass die andere Seite verstanden hatte und sich ihrer Dienerin gnädig zeigte. Wenn dieser Kontakt nicht mehr vorhanden war, konnte sie ihre Arbeit vergessen.
    Tat sich etwas? Öffnete sich die andere Seite?
    Ja, das tat sie. Und Marietta erlebte den Schauer, der ihren ganzen Körper erfasste. Aber es war ein wohliger Schauer, den sie gern über sich ergehen ließ.
    Sie schloss die Augen, um sich durch nichts mehr ablenken zu lassen. Sie wollte sich nur auf dieses eine Ziel konzentrieren.
    Das Summen in ihrem Kopf nahm sie als positiv auf. Es war der Gesang, der sie locker machte und ihr zeigte, dass sie dazugehörte. Die unsichtbare Geisterwelt hatte sich ihr gegenüber geöffnet und war bereit, sich mit ihr einzulassen.
    Gesprochene Botschaften empfing sie nicht. Es waren nur Gedanken, die sie auffangen konnte, und das tat sie auch jetzt.
    Ihr Gesicht hatte sich nicht verzogen. Es war bisher immer glatt geblieben, doch plötzlich zuckte es um ihre Mundwinkel, und das war nicht der Ansatz eines Lächelns, sondern eher das Gegenteil, denn die Veränderung sah sie schon als schmerzlich an.
    Etwas stimmte nicht …
    Etwas hatte sich gegen sie verschworen. Ihr wurden zwar keine Bilder geschickt, aber die Geister warnten sie auch so. Sie spürte, dass eine Gefahr in ihrer Nähe lauerte. Nicht hier in ihrem Wagen, sondern außerhalb, und diese Gefahr war bereits so nahe gekommen, dass die andere Seite Marietta gewarnt hatte.
    Ihre Hände umfassten das kleine Erbstück so fest, als wollten sie es zerdrücken. Die scharfen Atemzüge drangen nur durch ihre Nase, und sie spürte bereits den Hauch des Bösen, der sie
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