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172 - Der Sturm

172 - Der Sturm

Titel: 172 - Der Sturm
Autoren: Stephanie Seidel
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Matrose Aruula und Yngve zu, kam heran und wies dabei flüchtig nach Westen. »Da braut sich was zusammen! Gut möglich, dass es hier gleich ein bisschen ungemütlich wird. Der Käpt'n hat gesagt, wir sollen mal vorsorglich alles Bewegliche festbinden.«
    Er grinste und streckte die Hand aus, um Aruulas sonnengebräunten Arm zu tätscheln. »Also, schöne Frau: Wenn du nicht von mir gefesselt werden willst, gehst du besser unter Deck!«
    Seine Hand erreichte nicht ihr Ziel. Yngve hatte sie mitten in der Bewegung abgefangen, hielt sie am Gelenk umklammert und drückte den Mann ein paar Schritte zurück. Adern traten aus der Haut hervor, der Matrose wimmerte. Yngve beugte sich zu ihm vor.
    »Fass sie nie wieder an!«, warnte der Krieger. Aus seiner Stimme klang die Kälte der nordischen Winter, mit denen er aufgewachsen war. Sie jagte dem Matrosen Schauer über den Rücken. Bei dreißig Grad Hitze.
    »Komm schon: Lass ihn los!«, forderte Aruula. »Er hat sich nichts dabei gedacht.«
    Sie wandte sich dem Meer zu, als Yngve neben sie trat und seine Arme auf die Reling legte.
    Aruula war ihm in der Hafenstadt Yangonn im Süden Bumaas begegnet, wo sie sich auf der Suche nach dem brennenden Felsen aus ihrer Vision einschiffen wollte.
    Vor einigen Wochen hatte sie von dem ehemaligen Techno Abdul Nadjibullah erfahren, dass zwei Inseln für den Standort des Felsens in Frage kamen: Australien und Tasmanien, die heute Ausala und Tasman genannt wurden. [1] Von Abdul hatte sie sich kurz vor der Stadt getrennt; er war ein bekannter Bandit, und Aruula wollte, um Ärger zu vermeiden, nicht mit ihm zusammen gesehen werden. Sie hatte ihr Molee verkauft, um genügend Geld für die Passage zu haben, und auf der anschließenden Suche nach einem Schiff gen Südost neue Bekanntschaften gemacht.
    Eine davon war Yngve, ein Lauscher (Telepath) wie sie.
    Die Barbarin warf ihm einen raschen Seitenblick zu.
    Der Krieger aus Noorweje war einen Winter älter als sie, groß und breitschultrig. Sein Volk lebte in den nebelumwogten Fjorden bei Kristian'sund, wo Götter und Geister allgegenwärtig waren. Yngve war unverzüglich aufgebrochen, als ihn die Vision erreichte, trotzdem kam er aufgrund des längeren Weges erst nach Aruula in Yangonn an. Hätte sie nicht den Abstecher nach Tibet gemacht, die beiden wären sich nie begegnet.
    Das sagte sie Yngve, und er nickte. »Ich hatte Glück!«
    Der Himmel zog sich zu. Donner grollte, Blitze zuckten in der Ferne und der Wind drehte auf West. Die Besatzung kam an Deck gerannt. Ein Teil reffte die Segel, andere sicherten vorhandenes Gut. Dazu gehörten Boote, Fässer mit Regenwasser und eine Wisaau. Das Tier war als Abendessen für Passagiere und Mannschaft vorgesehen, wusste aber nichts davon und ließ sich deshalb ohne große Gegenwehr an den Fockmast binden.
    Dort stand es grunzend herum, als der Bug des Schoners in ein Wellental tauchte und mit schäumenden Wassern wieder hoch kam. Das Grunzen wurde zum Quieken.
    Aruula runzelte die Stirn.
    »Der Matrose hatte Recht«, sagte sie mit Blick auf die unruhige See. »Es gibt ein Unwetter!«
    Yngve nahm eine Hand von der Reling. »Soll ich dich unter Deck bringen?«
    »Nein.« Die Barbarin stemmte sich gegen den Wind.
    »So lange wir uns festhalten können, bleiben wir hier.«
    »Sicher?«
    »Ganz sicher.« Aruula nickte. Unter Deck bedeutete feuchtschwüle Hitze, Dunkelheit, Enge und Gestank. Die Barbarin konnte damit leben, doch für den Mann aus Noorweje war es eine Qual, das wusste sie.
    Der Schoner war eigentlich nicht für Passagiere gedacht. Er befuhr die Route Induu-Meelay als Frachtschiff, mit Nutzvieh auf der Hinreise und einer Ladung Ko'koos zurück. In der letzten Zeit jedoch tauchten in den Häfen vermehrt Fremde auf, die eine Schiffspassage suchten. Der Käpt'n des Schoners hatte keine Ahnung, warum plötzlich alle Welt nach Südosten wollte. Es war ihm auch egal. Wer die Überfahrt bezahlte, den nahm er mit. So kam es, dass sich unter Deck neben einem Dutzend Wisaauen und acht Mähnenschafen auch zwanzig Telepathen befanden, als das Unglück geschah.
    Zwei Meilen Backbord voraus lag die Küste von Meelay mit ihrem reichen Waldbestand und den gelben Stränden. Im Landesinneren ragten Berge auf; ihre Gipfel verschwanden im hitzefeuchten Dunst. Noch lief der Schoner auf einem Kurs, der ihn in die Straße von Malakka führen sollte, zu den großen Häfen im Süden der Insel.
    Allmählich aber wurde der Wind zum Sturm.
    »Vielleicht sollten wir doch
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