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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Autoren: Karl May
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grimmigem Ton:
    „Bleib ruhig sitzen, Effendi! Ich werde darüber wachen, daß ihr sicher seid. Wehe dem Kurden, welcher etwa kommt, sich an euch zu wagen! Meine Kugel sendet ihn in die tiefste Tiefe der Dschehennah hinab!“
    Nach einiger Zeit kamen Amad el Ghandur und der Lord; sie brachten den gefangenen Nizar Hared geführt. Der erstere wagte es nicht, zu sprechen, denn er fühlte, daß er an allem schuld war; Lindsay aber erging sich in den sonderbarsten Ausrufungen über den Tod des Rappen. Er weinte dabei; er wollte das nicht sehen lassen, und infolgedessen gab es in seinem Gesicht ein geradezu unbeschreibliches Mienenspiel.
    Eben wollte ich von meinem Platz aufstehen und sagen, daß wir zu Rih zurückkehren müßten, dessen Leiche ich den Kunden auf keinen Fall überlassen wollte, da schrie Omar laut auf:
    „Maschallah, schuf, schuf, Effendi, bjidschi, bjidschi – Wunder Gottes, sieh, sieh, Effendi, er kommt, er kommt!“
    „Wer, wer?“ fragte ich.
    „Dein Rih!“
    Rih? War er nicht tot? War die Wunde nicht lebensgefährlich? Hatte ich mich getäuscht? Mit zwei, drei Sprüngen stand ich bei Omar, wo ich nach rückwärts blicken konnte. Ja, er kam, der Rappe, in langsamem Trab, wankend und strauchelnd; die Liebe zu mir hatte ihn noch einmal auf- und mir nachgetrieben. Es war ein Anblick zum Herzbrechen. Wir sprangen ihm entgegen; aus seiner Brust floß ein fingerstarker Blutstrahl. Ich war der erste bei ihm und schlang ihm beide Arme um den Hals. Er schnaubte mich freudig an und leckte mir die Wange und den Hals; dann brach er langsam erst hinten und dann vorn zusammen. Nach einer vergeblichen Anstrengung, sich wieder aufzuraffen, hob er den schönen, kleinen Kopf, sah mit brechenden Augen zu mir auf und wieherte leise, leise und ersterbend, wie ich noch nie ein Pferd habe wiehern hören. Ich warf mich neben ihn nieder und bettete seinen Kopf an meine Brust, während Halef das rinnende Blut zu stillen suchte. Wir alle weinten, weinten so, als ob ein lieber, lieber Mensch im Sterben liege. Des Rappen Maul lag in meiner Hand; er leckte sie fort und fort, immer leiser und langsamer, bis er die Zunge nicht mehr bewegen konnte; dann noch ein letztes, sich verhauchendes Schnauben, ein krampfhaftes Zucken – – – Rih war tot!
    Ich nahm das Keffije (Kopftuch), welches ich unter dem Turban trug, hielt es an die Wunde und fing das letzte aus derselben fließende Blut auf. Dieses Tuch ist heute noch ein Andenken, welches ich um keinen Preis aus der Hand geben würde. Dann reichte ich Halef meinen Stutzen hin und sagte:
    „Hier, Hadschi, hast du dieses Gewehr. Du allein weißt außer mir, wie es gehandhabt wird. Ich will noch eine Weile bei dem Pferd bleiben. Wenn die Kurden kommen, laß keinen heran; gib jedem eine Kugel! Du weißt, ich strebe nicht nach Blut; aber dasjenige unseres Rih ist geflossen; nun ist es mir gleich, wer noch das seinige hergeben muß.“
    „Ja, Effendi, bleib ruhig sitzen!“ antwortete er. „Es soll dir keiner dieser Hunde zu nahe kommen. Meine Augen fließen über von den Tränen des Schmerzes; aber sie werden dennoch so scharf sein, daß jede Kugel trifft, die ich versende!“
    Ich bitte, nicht allzu streng mit meiner damaligen Stimmung ins Gericht zu gehen. Ein Tier liebzuhaben, ja innig liebzuhaben, ist wohl keine Schwäche, zumal, wenn es ein so edles ist, wie mein Rih gewesen war. Er hatte mit mir gehungert und gedürstet, mich durch so viele Gefahren getragen und mir so oft das Leben gerettet, auch jetzt wieder, da er an der Kugel, welche mir gegolten hatte, gestorben war. Mit Menschen, mit Freunden kann man sich entzweien, sich über sie ärgern oder betrüben; Rih hatte mir nicht ein einziges Mal Veranlassung zur Unzufriedenheit, zu einer Strafe, einem Schlag gegeben; er hatte jedes meiner Worte, jeden Wink verstanden und fast möchte ich sagen, mit freudigem Gehorsam ausgeführt; er war geradezu ein Teil von mir selbst geworden, den ich nun für immer verloren hatte. Ist es da ein Wunder, daß mir sein Tod so zu Herzen ging, daß ich wie ein Kind weinte und eine lange Zeit bei ihm saß, ohne mich um das, was um mich her vorging, zu bekümmern?
    Inzwischen hatten sich diejenigen Haddedihn, welche den Bebbeh entkommen waren, bei uns eingestellt: es fehlten zwölf Mann. Wie wir dann erfuhren, waren sechs davon tot und die anderen gefangen; die Bebbeh aber hatten viel schwerere Verluste gehabt.
    Dann kamen die Verfolger angeritten. Als Halef ihnen einige Kugeln
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