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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Autoren: Karl May
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verstanden! Dazwischen schrie Amad el Ghandur im Fieber auf, mich gegen Ahmed Azad zu Hilfe rufend. Ich war froh, als es Morgen wurde.
    Hier konnten wir nicht bleiben, aber wegen der verwundeten Scheiks auch nicht nach den Weideplätzen der Haddedihn zurückreiten. Ich schlug also vor, zu Gibrail Mamrahsch zurückzukehren, in dessen Haus Amad el Ghandur die nötige Ruhe und Pflege finden konnte. Man war einverstanden, denn ich wurde in stiller Reue wieder als Führer anerkannt.
    Wir bauten aus Ästen, Zweigen und Laub für den Verwundeten eine Bahre, welche von zwei Pferden getragen wurde. Beim allgemeinen Aufbruch blieb ich mit Halef und seinem Sohn noch einige Minuten beim Grab Rihs zurück.
    „Sihdi, mir ist so weh, so traurig“, weinte der Hadschi. „Ich werde wohl nie wieder lachen können. Mein Herz ist ganz mit Tränen angefüllt, fast so, wenn es keine Sünde ist, es zu sagen, als ob mir Hanneh, die schönste der Frauen, gestorben wäre!“
    Ich drückte ihm die Hand, sagte aber nichts; dann ritten wir den anderen nach. Um Mittag gaben wir die beiden gefangenen Kurden frei, und am anderen Tag langten wir bei Gibrail Mamrahsch an, welcher uns sein Haus mit Freuden zur Verfügung stellte.
    Der zweitägige Ritt hatte dem Verwundeten sehr geschadet. Er raste förmlich und schrie immer nur nach mir. Glücklicherweise hatte seine Meinung, daß er beim Sturz vom Pferd etwas gebrochen habe, auf Irrtum beruht. Ich durfte fast keinen Augenblick von seinem Lager weichen. Als ihm dann nach Tagen zum ersten Mal die Besinnung wiederkehrte und er mich erkannte, reichte er mir seine Hand und sagte mit matter Stimme:
    „Allah sei Dank, daß du bei mir bist, Effendi! Ich habe mit vielen Feinden gekämpft, und du hast mich errettet.“
    Ich sagte nichts; er versank in Nachdenken und fuhr dann fort:
    „Ich habe zu dir gesagt, daß mich nie wieder ein Christ berühren soll. Verzeihe mir! Deine Hand tut mir wohl wie die Hand eines Propheten. Ich wollte Blut; du wolltest Liebe; es hat mich mein eigenes Blut und dich deinen Rih gekostet; du aber sollst Liebe über Liebe ernten von mir und meinem ganzen Stamm!“
    Darauf schlief er wieder ein.
    Erst nach vier Wochen war seine Genesung so weit vorgeschritten, daß wir aufbrachen und in kurzen, langsamen Tagesmärschen heimkehren konnten.
    Unser Empfang war kein freudiger. Amad el Ghandur wurde mit Vorwürfen überhäuft. Er nahm sich das so zu Herzen, daß er seine Würde als Scheik freiwillig niederlegte; sie wurde einstimmig Malek, dem einstigen Scheik der Ateïbeh, dem Großvater Hannehs, zuerkannt. Nach dessen Tod wird mein Hadschi Halef Omar Scheik der Haddedihn sein. Ich schenkte ihm die beiden Perserpferde, worüber er ganz glücklich war.
    Nach drei Tagen brach der Engländer auf. Omar Ben Sadek wollte ihn mit einer Truppe Haddedihn nach Bagdad bringen. Er verabschiedete sich von mir mit den Worten:
    „Möchte gar zu gern noch länger bei Euch bleiben; aber es geht nicht, denn Ihr wollt nach Damaskus zurück, und ich muß die Tour abreisen, welche ich mir vorgeschrieben habe. Ihr seid mein bester Freund, aber doch ein erzdummer Kerl! Denn hättet Ihr mir damals Euren Rih verkauft, so wäre er jetzt nicht erschossen worden. Well! Hoffe aber, daß wir uns bald wiedersehen. Wünsche, daß Ihr stets gesund bleibt und Euch jetzt bei dem Ritt nach Damaskus eine ebenso schöne Aleppobeule holt, wie ich damals hatte. Yes!“
    Am nächsten Tag ritt auch ich fort. Die Krieger der Haddedihn gaben mir einen halben Tag lang das Ehrengeleit. Halef und sein Sohn aber ritten noch weiter mit und trennten sich erst jenseits der Dschesirat von mir.
    „Sihdi, mein lieber, lieber Sihdi, mit dir geht mein halbes Leben fort; die andere Hälfte gehört Hanneh, meinem Weib, und Kara Ben Halef, meinem Sohn“, sagte der Hadschi, indem er sich die Augen trocknete. „Gott sei bei dir – allezeit, und – ich – ich kann – – – nicht weiter – – – nicht – – – nicht weiter sprechen!“
    Laut schluchzend wendete er sein Pferd und ritt im Galopp davon. Ich reichte seinem Sohn die Hand und sagte, auch mit Tränen in den Augen:
    „Bleibe fromm und brav, und werde ein Mann wie dein Vater! Vielleicht sehen wir uns einmal wieder. Und solltest du einmal hinauf nach Kurdistan kommen, so steig auf die Felsenhöhe und grüß meinen Rih von mir!“
    Seine Lippen bebten vor Wehmut und Rührung; er wollte antworten, konnte aber nicht, legte stumm beteuernd beide Hände auf das Herz
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