Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
169 - Der Weltenwanderer

169 - Der Weltenwanderer

Titel: 169 - Der Weltenwanderer
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
Evakuierungswelle! Es ist alles bereit! Sendet Botschafter in alle Städte der Ditrydree! Die Evakuierung kann beginnen, und damit nicht noch mehr Ditrydree an den Folgen des Sauerstoffmangels sterben, lasst uns versuchen, die Kranken und Schwachen unseres Volkes schon in spätestens zwanzig Lichtern durch das Tunnelfeld in die neue Heimatzeit und Heimatwelt zu schicken…!«
    ***
    Als einer der Letzten erreichte Leg'wanot die ersten Wasserbaumriesen des Korallenwaldes. Er verharrte und wandte sich um – einmal noch wollte er die Hauptstadt der Ikairydree sehen, einmal noch ihren Anblick ins Herz schließen, um dann mit diesem Bild vor Augen zu sterben.
    Wie eine gewaltige kuppelförmige Muschel erhob sie sich aus dem mehr als fünftausend Längen durchmessenden Tal, das sie umgab. »Rottal« nannten es die Hydree, weil sein rötliches Gestein dem Wasser in seiner Umgebung einen leuchtenden Rotstich verlieh. Sie hatten die Außenscheinwerferanlagen Ikairy'danuts brennen lassen, und so erleuchteten große Lichtbalken das Tal. Die Strahlen bohrten sich durch die Wasserdämmerung bis zur hundertfünfzig Längen entfernten Oberfläche hinauf.
    Wehmütigen Herzens riss Leg'wanot sich los vom Anblick der strahlend weißen Kuppelstadt. Ein letztes Mal wanderte sein Blick über die Seegrasfelder, die in der Talmulde wogten, dann wandte er sich um und schwamm in den Wasserwald hinein.
    Über fünftausend Ikairydree tauchten den vom Tal aus steil abfallenden Waldhang hinunter. Ikairy'danut lag in der Kratermulde eines schon in der Vorzeit erloschenen Vulkans.
    Leg'wanot sah viele Ikairydree, die andere stützten, ja sogar trugen. Ein Drittel der silberschuppigen Hydree waren wegen des geringen Sauerstoffgehaltes im Wasser erkrankt.
    Todesfälle hatte es kaum gegeben in Ikairy'danut, und er selbst, Leg'wanot, spürte noch keinerlei Auswirkungen des Mangels.
    Er nahm an, dass sein Volk wegen des geringeren Körpergewichts und seiner robusteren Konstitution weniger unter den allgemeinen Symptomen litt als die anderen Hydree.
    Geäst und Laub wurden dichter, bald ließen die gewaltigen Kronen der Wasserbaumriesen kaum noch Licht bis zum Meeresgrund durch. Leg'wanot schwamm an Familien und Paaren vorbei, die bereits an ihren Korallenbäumen angekommen waren und nun zum Sterben in ihre Kronen hinauftauchten.
    Schon in der Vorzeit war es Sitte unter den Ikairydree gewesen, jedem Neugeborenen einen eigenen Korallenbaum zu pflanzen oder ihm einen bereits wachsenden zu schenken. Der Besitz eines eigenen Baums symbolisierte für Leg'wanots Volk die Verbindung mit dem Rotgrund, ja mehr noch: Sie war die Verbindung mit dem Planeten.
    Jeder Ikairydree pflegte die Finsternis vor seinem Geburtstag in der Krone seines Baumes zu verbringen. Dort trank er eine ganze Amphore Korallenbaumwurzelsaft, wachte bis zum Lichtaufgang und erneuerte seine geistige Einheit mit dem Korallenbaum und dem Rotgrund. Kurz vor Lichtaufgang erst durfte das Geburtstagskind einschlafen. Dem Traum, den es dann träumte, schrieb man unter den Ikairydree eine besondere Bedeutung für den neuen Lebensumlauf zu.
    Alle, die im angebrochenen Umlauf bereits auf diese Weise mit ihrem Baum Geburtstag gefeiert hatten, berichteten von Träumen, die von Ende und Untergang sprachen. Leg'wanot hatte geträumt, seine Arme und Beine würden mit dem Meeresboden verschmelzen und er selbst als Korallenbaum bis zur Wasseroberfläche wachsen.
    Von fern sah er Wanil'ama und ihre Sippe zwischen den Stämmen. Er winkte, und sie winkte zurück. Leg'wanot war der Letzte seiner Sippe. Alle Mitglieder seiner Familie waren in der letzten Kriegszeit umgekommen, als die Patrydree seine Heimatstadt Quirb'an'mazut überfielen und zerstörten. [3]
    Jetzt erreichte auch er seinen Korallenbaum, einen knorrigen, über hundertzwanzig Längen hohen Wasserbaumriesen. Er tauchte hinauf in die Krone, drang in sie ein und gelangte schließlich zu einer Art Höhle aus Geäst und Zweigen, in der er seine Geburtstagsnächte und auch sonst Stunden der Muße verbrachte.
    Leg'wanot machte es sich bequem, wickelte dünne, biegsame Äste um seinen Leib, seinen Hals und seine Glieder, um sich vor Auftrieb und Strömungen zu schützen, und zog schließlich die kleine Amphore aus einem grünen, glasähnlichen Material aus seinem Anzug. Er tat, was über fünftausend Ikairydree jetzt taten oder bald tun würden: Er leerte sie auf einen Zug.
    Anders als in den Geburtstagsnächten enthielt sie an diesem Tag jedoch nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher