Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
166 - Sohn dreier Welten

166 - Sohn dreier Welten

Titel: 166 - Sohn dreier Welten
Autoren: Stephanie Seidel und Ronald M. Hahn
Vom Netzwerk:
war sie berühmt gewesen, von lichterfüllter Schönheit. Heute durchzogen Risse das Mauerwerk und die meisten der kostbaren Keramikkacheln waren längst abgeplatzt. Aber noch immer umgab sie der Hauch des Majestätischen.
    »Wohnt da einer, Maduuk?«
    »Wohnen? Nein.« Der Händler lenkte sein Pferd auf den Eingang zu. »Das ist das Haus des Wissens. Da lernen Heiler, wie man Kranke gesund macht. Mit Pflanzen!«
    »Sie töten Pflanzen?«, fragte Daa'tan gedehnt, und eine steile Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen.
    »Ach, Junge!« Maduuk lachte und zauste ihm den Schopf.
    »Du und dein Grünzeug! So was hab ich noch nie erlebt, dass einer Viehfutter wie Freunde behandelt!«
    »So ist es aber richtig«, sagte eine fremde Stimme. Ein hoch gewachsener, schlanker Mann trat heran. Er lächelte, als Maduuk das Pferd zum Stehen brachte, und fuhr fort:
    »Pflanzen haben heilende Kräfte! Manche von ihnen können Menschen sogar vor dem Tod bewahren, da ist ein wenig Respekt durchaus angebracht!«
    »Avi Senna!«, rief Maduuk erfreut. »Wie schön, dich zu sehen!«
    Die Männer begrüßten sich herzlich. Maduuk stieg vom Wagen und zeigte seine Tonwaren vor: Töpfchen und Tiegel zum Aufbewahren der Kräutermischungen. Der Fremde begutachtete sie, nickte zufrieden und winkte einen Helfer heran, der das Abladen übernahm.
    Daa'tan erfuhr, dass Avi Senna ein Lehrmeister der Heiler war und sich mit Pflanzen auskannte wie niemand sonst in Isfa'an.
    »Der Junge hier wäre bestimmt ein guter Schüler«, sagte Maduuk mit den Händen auf Daa'tans Schultern. »Er liebt Pflanzen, als würden sie zur Familie gehören! Und er kann was! Du solltest ihn mal testen!«
    »Sollte ich?« Avi Senna sah Daa'tan prüfend an. Er rang um eine Entscheidung, das merkte man an der Stille, die ihn plötzlich umgab. Dann entspannte sich sein Gesicht, und er sagte zu dem Händler: »Deine Freunde sind auch meine Freunde, Maduuk, denn ich weiß, dass ich dir vertrauen kann! Wir haben ein Problem, und wir suchen händeringend nach einer Lösung. Wenn der Junge wirklich etwas kann, dann folgt mir in den Garten der Besonderheiten!«
    Maduuk prallte zurück. »Der Blutbaum?«, fragte er erschrocken.
    Avi Senna nickte stumm.
    Daa'tan hatte keine Ahnung, was die Männer von ihm erwarteten. Aber sie sahen ihn offenbar als wichtig an, und er genoss dieses Gefühl. Avi Senna führte ihn durch das ebenerdige Schachtelgebäude mit seinen Rundbögen und den üppigen Verzierungen aus Stein. Die meisten Dächer fehlten, sodass sich ein Innenhof an den nächsten reihte. Jeder hatte einen Namen – entsprechend der Kräuter und Pflanzen, die in ihm gezüchtet wurden. Auf dem Weg zum Garten der Besonderheiten erfuhr Daa'tan, was es mit dem Blutbaum auf sich hatte.
    »In seinen Blättern ist eine stark wirkende Substanz, die Wunden reinigt und schließt«, erklärte Avi Senna. »Das macht diesen Baum natürlich besonders interessant für Krieger. Wir wollten Ableger züchten, um später einmal die Armee versorgen zu können. Unser König hat den Blutbaum nach Isfa'an ins Versteck bringen lassen.«
    »Wo war er denn vorher?«, fragte Daa'tan ahnungslos und fuhr zusammen, als Avi Senna antwortete: »Bei den Tuurks!«
    »Ihr habt ihn geklaut?«, keuchte der Junge.
    Maduuk zwinkerte ihm zu und grinste. »Sagen wir lieber: umgetopft!«
    Ohne seine Schritte zu verlangsamen, winkte Avi Senna zwei Wächter von einer Tür fort. Knarrend öffneten sich die Flügel, und ein Innenhof mit plätschernden Springbrunnen wurde sichtbar. Seltene Duftkräuter wuchsen aus Töpfen und Ampeln. Da waren Steintröge voll exotischer Pflanzen. Eine summte wie ein Bienenstock, andere bewegten verträumt ihre Triebe. Der Wurzelballen einer festgebundenen Alraune glitt gerade schneckengleich aus seinem Topf. Avi Senna trat hinzu und schob ihn sanft zurück.
    Daa'tans Blick folgte dem Lichtmuster, das die Mittagssonne auf die zersprengten Bodenplatten malte. Im Zentrum stand eine bauchige Tonschale. Der Baum, den sie beherbergte, war noch jung, kaum drei Meter hoch. An seinem schwarzen Gehölz wuchsen Blätter so rot wie schäumendes Blut. Noch leuchteten sie, aber sie hingen bereits geschwächt herunter, und rings um die Schale lag welkes Laub. Jetzt, im Februar!
    Daa'tan betrat den Garten des Besonderen, und sofort tauchte jenseits der Rankgitter ein Hüter auf. Er wollte den Weg versperren, doch Avi Senna befahl ihm, den Jungen durchzulassen. Widerwillig gehorchte der Mann.
    Daa'tan ging zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher