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1648 - Geister der Vergangenheit

1648 - Geister der Vergangenheit

Titel: 1648 - Geister der Vergangenheit
Autoren: Jason Dark
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stellte er fest, dass die Versammelten einen Halbkreis bildeten. Jeder von ihnen hatte einen freien Blick auf den Gegenstand, der leicht erhöht vor ihnen stand.
    So sah auch Marc Duras ihn, und er war nicht mal zu überrascht, als er einen Altar erkannte, der im von der Decke fallenden Licht in einer bläulichen Flut gebadet wurde.
    Der schwarze polierte Stein wirkte dabei wie ein Spiegel, und auf ihm lag das Opfer.
    Eine Frau. Noch sehr jung - und unbekleidet. Für einen Moment kam dem heimlichen Beobachter der Gedanke, dass hier alle Klischees zutrafen. Das weibliche Wesen war jung, es war blond, und es war festgeschnallt, denn über seinen Körper spannten sich zwei breite Lederriemen, die es nicht zuließen, dass sie sich selbst befreien konnte.
    Die junge Frau war nicht tot. Soweit Duras erkannte, bewegte sich ihre Brust beim Ein- und Ausatmen. Allerdings sehr schwach, und trotzdem war er froh darüber, dass sie es überhaupt tat. Sie war noch nicht tot, aber die Anwesenden warteten darauf, dass es geschehen würde, denn das Mordinstrument hing noch unter der Decke.
    Dort war die untere Hälfte eines Schwerts zu sehen. Eine breite Klinge, vorn zugespitzt, wartete darauf, nach unten zu fallen, tun den Körper der Unschuldigen zu durchstoßen, um ihr den Tod zu bringen.
    Es fiel nicht, aber es bewegte sich, getrieben durch einen Mechanismus, den Duras nicht sah, weil er im Schatten der Decke verborgen lag. Sehr langsam senkte es sich nach unten.
    Duras ließ das Schwert nicht aus den Augen. Es hatte schon sein Gewicht, denn auf seinem Weg nach unten pendelte es so gut wie nicht. Senkrecht glitt es dem Opfer entgegen.
    Jeder der Anwesenden sah das Schwert und auch die langsame Bewegung. Es war so etwas wie ein Zeichen, denn als hätte ein Dirigent seinen Taktstock geschwungen, war es plötzlich vorbei mit der bedrückenden Stille.
    Die Versammelten fingen an zu singen. Zuerst hörte es sich an wie ein Summen, doch je tiefer das Schwert sank, umso mehr veränderte sich der Gesang.
    Das Summen verstummte. Stattdessen intonierten die Versammelten einen Text, doch so sehr er sich auch anstrengte, es war unmöglich, etwas zu verstehen. Zwar unterschied er die einzelnen Worte, doch sie waren etwas, was er noch nie gehört hatte. Er wollte sie auch nicht als ein Lied bezeichnen. Die Lösung fiel ihm nach einigen Sekunden des Nachdenkens ein.
    So hörten sich Beschwörungen an. Nichts anderes war das hier. Und nichts anderes passte auch hierher. Der Gesang sorgte dafür, dass die Atmosphäre noch bedrohlicher wurde und bei normalen Menschen sicherlich einen kalten Schauer hinterlassen oder sie sogar in die Flucht getrieben hätte.
    Das Schwert fand seinen Weg. Es gab nichts, was es davon abbringen würde. Einmal die Richtung eingeschlagen, ließ es sich nicht stoppen. Es würde, wenn sich Duras nicht irrte, in die linke Brustseite der jungen Frau dringen und das Herz aufspießen.
    Duras warf dem Opfer noch einen letzten Blick von seinem Standplatz aus zu. Er glaubte, zwei geöffnete Augen zu sehen. Er bekam das Atmen mit. Es hätte zumindest jetzt bei der jungen Frau eine Panik aufsteigen müssen, was nicht geschah. Bestimmt sah sie die Schwertklinge, doch sie war nicht fähig, die Waffe mit ihr in einen Zusammenhang zu bringen. Er konnte sich vorstellen, dass die junge Frau unter Drogen gesetzt worden war.
    Es wurde Zeit für ihn!
    Noch einmal konzentrierte er sich auf seine Aufgabe. Das hatte er schon öfter in seinem Leben getan. Er dachte wieder an seine Einsätze, bei denen ein exaktes Timing den Erfolg garantiert hatte. Und hier befand er sich ebenfalls im Krieg.
    Nur war dieser Einsatz eine sehr persönliche Sache. Persönlicher ging es gar nicht.
    Noch einmal rief er sich das in seine Erinnerung zurück. Dann setzte er sich in Bewegung und blieb dabei hinter diesen singenden Gestalten. Er war froh, Handschuhe zu tragen, denn der Schweiß hatte seine Haut nass werden lassen.
    Duras hatte es gelernt, Emotionen bei seinen Einsätzen zurückzuschrauben. So etwas wurde jedem Söldner bei der Legion beigebracht. Das hatte er auch jetzt nicht abgelegt.
    Er ging, und er war nicht zu hören. Zudem überdeckte der schaurige Gesang alles, und es kam ihm zugute, dass keiner der Kuttenträger den Kopf drehte.
    Freie Bahn!
    Und das Schwert sank tiefer!
    Durch das bläuliche Licht hatte es ein völlig anderes Aussehen angenommen. Die Klinge hatte ihren metallischen Glanz verloren. Sie wirkte irgendwie gläsern oder wie aus einem
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