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1641 - Symbiose

Titel: 1641 - Symbiose
Autoren: Unbekannt
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und weiter in das Heiligtum hinein.
    Weiter, tiefer ...
    Noruus Augen waren geöffnet, doch nicht sie allein zeigten ihm die Bilder, die sein Bewußtsein mehr und mehr erfüllten. In seiner Trance ließ er den Oberkörper allmählich heftiger schwingen. Er sah das violette, immer intensiver werdende Leuchten, das wie ein feiner Wolkenschleier über dem Platz lag und allmählich dem Zentrum zustrebte. Das waren die Sirr, viele Millionen der winzigen Einzeller, die sich zu fast beliebig großen Verbänden formieren konnten und Symbiosen mit vielen Pflanzenarten eingingen. Jetzt hatten sie sich voneinander gelöst und schwebten über den Falahs, tauchten sie in ihren Schein und ließen sie aussehen wie Wesen aus einer anderen Welt, die von innen heraus leuchteten. In einem genügend großen Verbund konnten sie die Falahs Dinge spüren und erleben lassen, die sie auf kaum begreifliche Weise „sahen". Sie ersetzten Millionen von Augen.
    Doch das war noch nicht ihre wichtigste Fähigkeit. Ohne sie, dachte Noruu (oder kam es von Laas, seinem Sassin?), könnten die Falahs die Welt nicht so beherrschen und organisieren, wie sie es taten.
    Noruu empfand das Leuchten wie eine wohlige Wärme, wie ein Flüstern, das alles erfüllte und alle Grenzen zerfließen ließ, die durch seine Existenz als körperliches Wesen gesetzt waren.
    Er atmete das Leben und spürte das Mondlicht, fühlte es auf seiner Haut und sah, wie es alles durchdrang.
    Jedenfalls hatte es diesen Anschein. Licht, Gesang, Wärme, die Nähe der anderen und der vorherige Genuß ganz bestimmter Substanzen aus dem überreichen Angebot der Natur Falhs machte diese Nacht zu einer der Nächte, in der sich die Sinne ganz weit öffneten. Die Sassin taten das Ihre dazu, jene tierischen Symbionten, die den gesamten Körper der Falahs wie ein moosartiges Geflecht überzogen, als mattschillernde „Haut". Nur die dreifingrigen Hände und die vier Füße am Schwanzstummel blieben frei und waren fast farblos - ebenso natürlich die Sinnesorgane und der Mund.
    Was sich in der Mitte des Hochplateaus wie ein Berg aus grüner, roter und brauner Pflanzenmasse erhob, zeigte sich Noruus Blicken ganz anders. Seine Sinne durchdrangen die äußere Schicht und sahen das Fließen der Lebensströme in Ranken, Blättern und Blüten, bis hinein in die Zellen. Golden leuchteten die Säfte, die von den Pflanzen dem Boden entnommen und bis hoch in die Triebspitzen geleitet wurden, wo sie Knospen zum Keimen brachten und dem ganzen Geflecht unaufhörlich neue Energien zuführten.
    Noruus Sinne führten ihn mitten hinein in das Wunder des Lebens. Es war eine Mischung aus Sehen, Fühlen und Wissen. Es war eine Form der Wahrnehmung, die sich anderen Wesen verschloß, welche dafür auch kaum die richtigen Bezeichnungen fanden. Es war ein Erleben aus dem Verschmelzen mit der Natur seiner Welt heraus, mit der Schöpfung und der Kraft, die aus dem Sassin kam. Tiefer...
    Noruu badete lange Zeit im Pulsschlag des niemals Endenden, des ewigen Einsseins, aus dem er kam und in das er eines nicht so fernen Tages wieder zurückkehren würde.
    Dann schickte er seine Sinne durch die rankende Mauer weiter in den Hügel hinein, und sofort wurde es kälter.
    Beim erstenmal war er aufgesprungen und geflohen, als er auf das Nichtleben stieß. Viele Mondwechsel lang hatte ihn das unerwartete, schreckliche Erlebnis gequält, bis er die Kraft fand, sich erneut aus dem Tal hinauf aufs Plateau zu begeben - in einer Nacht wie dieser.
    Damals hatten ihn andere geleitet. Wie viele Häutungen seither vergangen waren, wußte der Falah nicht. Zeit spielte für ihn keine bedeutende Rolle. Seine Erinnerung reichte eigentlich immer nur von einer Häutung zur anderen, wenn der Sassin mit der alten Hülle abgestreift wurde und ein neuer an seine Stelle trat. Dann begann die nächste Periode im Leben eines Falahs, denn die Sassin waren, unter anderem, für sie so etwas wie der Gedächtnisspeicher, den sie selbst kaum noch besaßen.
    Nur die großen Zyklen prägten sich den Schlangenähnlichen für das ganze Leben ein, und im Kollektiv fanden sie dann auch die Erinnerungen an die Zeiten wieder, die Ewigkeiten zurücklagen.
    So wie heute, in dieser ganz besonderen Nacht...
     
    *
     
    Für Noruus Empfinden war es unter der Kruste des Hügels ganz einfach leer. Die Ranken hatten das Nichtleben schon vor Urzeiten überwuchert. In ihnen hatten sich andere, zartere Pflanzen eingenistet und nach und nach das Geflecht gebildet - die Haut,
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