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164 - Der vielarmige Tod

164 - Der vielarmige Tod

Titel: 164 - Der vielarmige Tod
Autoren: Ronald M. Hahn
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Schritt.
    Wie Karan Khan und Kapitän Pofski gleich darauf erfuhren, nahm man dies nicht nur Kira übel.
    ***
    Am Tag zuvor…
    In der Kutsche hatte Aruula genug Zeit und Ruhe zum Lauschen gehabt. Sie hatte sich schlafend gestellt, das Bewusstsein des Kutschers und seines Begleiters abgetastet und auch die Vermummten nicht verschmäht, die mit ihnen vom Schiff gekommen waren.
    Aus den Blicken, dem allgemeinen Verhalten, den Gesten und der Körpersprache der Kaàliten hatte Aruula viel erfahren: Narayan war der Hohepriester ihrer Ordensburg, ihr Herr, ihr Scharfrichter; nötigenfalls auch ihr Henker.
    Er war nur einer von einem Dutzend, denn Kaàlis Jünger waren im ganzen Land verteilt. Er war in einer geheimen Mission zu einer anderen Ordensburg unterwegs gewesen. Auf der Rückreise war er der ansehnlichen Kira Kapoor begegnet, deren Gatte in Ti'bai glänzende Stoffe einkaufte.
    Obwohl er als Hohepriester nicht verpflichtet war, die Kopfjagd zu betreiben, hatte ihre Schönheit ihn inspiriert, sie Kaàli zum Geschenk zu machen. Mit Hilfe seines Leibdieners hatte er sie Tage vor der Begegnung mit Aruula überwältigt.
    Die Begegnung mit den Kaàliten, in deren Gewalt Aruula sich befand, war zufällig zustande gekommen. Doch leider war der letzte – tote – Mann des Trios, das Aruula überfallen hatte, Narayans kleiner Bruder Arif gewesen.
    Du bist nicht nur tot, Weib, sagten die Blicke von Narayans Gefährten, wenn sie Aruula trafen. Du bist viel schlimmer dran…
    Wenn Aruulas Lauschsinn sie betastete, sah sie schreckliche Bilder, in denen Männer mit Hundegesichtern über sie herfielen. Sie war nicht bereit, so etwas über sich ergehen zu lassen. Lieber wollte sie im Kampf sterben.
    Auch gegen eine Übermacht.
    Deswegen würde sie einen Fluchtversuch wagen. Auch wenn er aussichtslos erschien. Auch wenn es bedeutete, die Gefährtin in der Gewalt der Kaàliten zurück zu lassen. Vorerst!
    Wenigstens hatte sie ihr am Vortag Wudans heilige Streifen auf den Körper gemalt, damit der Schutz ihres Gottes auf sie überging. Aruula schwor sich, den Entführern zu folgen und Kira später zu befreien.
    Bei der abendlichen Rast sah sie ihre Chance gekommen.
    Stille hatte sich über das kleine Lager gesenkt. Leder knarrte, Yakks grunzten, Grillen zirpten. Der leise Wind pfiff in den Ästen. In der Glut des Feuers, an dem die Kaàliten saßen, knackte es hin und wieder.
    Der Helfer des Kutschers, ein Mann mit den Zügen eines Bluthundes, stand am Spieß. Ein Dutzend Ratzen drehten sich über den Flammen und verspritzten heißes Fett. Der Kutscher ließ einen irdenen Krug herumgehen. Alle tranken.
    Anschließend wurde die Nahrung verteilt. Die nach vorn gebeugten Gestalten aßen schmatzend, ihre Gesichter von Kapuzen verborgen.
    Dann kam der Kutscher zu den Frauen und hielt ihnen den Krug hin.
    Kira trank. Aruula zischte ihr zu: »Sag ihm, dass ich mal muss.«
    Kira übersetzte. Der Kutscher knurrte, öffnete die Tür und ließ sie hinaus.
    Im nächsten Moment wurde Aruula klar, dass er es nicht aus reiner Gefälligkeit tat: Als die anderen sie nicht mehr sehen konnten, spürte sie seine Pranke an ihrem Gesäß und seinen heißen Atem in ihrem Nacken. Der Dreckskerl wollte es mit ihr treiben, nur wenige Meter von seinen Kameraden entfernt!
    Als er nach ihrem Gesicht grabschte, um ihr den Mund zu verschließen, handelte sie.
    Aruulas Hände fuhren unter sein Wams – gerade so, als ginge sie auf sein Verlangen ein. Doch sie kehrten mit seinem Messer zurück! Blitzschnell führte sie einen Schnitt über die Kehle des Kutschers. Er kam nicht mehr dazu, einen Warnschrei auszustoßen – aber das war auch nicht nötig. Seine massige Gestalt klatschte auf den Boden, und alle hörten es.
    Die Männer am Feuer fluchten, sprangen auf und zückten ihre Waffen.
    Aruula stürzte in den Wald, der die Lichtung umgab.
    Geduckt lief sie, das erbeutete Messer in der Hand, genau in die Richtung, in die die Reise bisher gegangen war. Sie hoffte, dass man sie dort am wenigsten vermuten würde.
    Ihre Hoffnung schien sich zu bestätigen. Sie hörte Sanjay Narayan Befehle schreien. Da seine Stimme leiser wurde, nahm sie an, dass seine Leute in die Richtung rannten, aus der sie gekommen waren.
    Aruula kauerte sich auf den Boden, lauschte dem Pochen ihres Herzens und atmete lautlos ein und aus. Vielleicht hätte sie jetzt endgültig entkommen können – aber das brachte sie nicht übers Herz. Wenn sie keine Schuld auf sich laden wollte, musste sie auch
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