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164 - Der vielarmige Tod

164 - Der vielarmige Tod

Titel: 164 - Der vielarmige Tod
Autoren: Ronald M. Hahn
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Vermummte traten ins Freie.
    Ihnen folgte ein Mann, dessen Kapuze in seinem Nacken hing, sodass man sein Gesicht sah. Er zerrte eine Frau mit blauschwarzem Haar und Körperbemalung aus dem Gefährt.
    Aruula! Ein Seil war um ihren Hals geschlungen. Der Mann nahm das herabhängende Ende in die Hand und führte sie wie einen Wakuda hinter sich her. Als sie sich sträubte, zog er mit einem so kräftigen Ruck an dem Seil, dass sie nach vorn gerissen wurde und zu Boden ging.
    »Wie kann man einen Menschen so behandeln?« Kapitän Pofski spuckte aus. »Ich habe große Lust, diesem Durak die Fressleiste einzutreten.« Er wunderte sich selbst über seine gewalttätigen Phantasien, aber nach dem, was er bisher erlebt hatte, war sein Vorhaben noch human.
    »Das muss ein hohes Tier sein«, erwiderte Karan. »Deine Gefährtin… Ich erkenne sie wieder!«
    Doch was war mit Aruulas Kleidung geschehen? Hatte sie sich so heftig gegen ihre Entführung gewehrt, dass man sie ihr vom Körper gefetzt hatte? Sie war barbusig. Nur noch ein Lendenschurz schlang sich um ihre Taille.
    Der Kapuzenmann führte Aruula zum Tempelportal.
    Die Wachen verneigten sich. Der Mann musste eine wichtige Persönlichkeit sein. Vielleicht ein Priester?
    Das Hauptportal wurde von innen geöffnet. Kaàliten nahmen die Neuankömmlinge in Empfang: Messinghörner ertönten, Tamburine wurden geschlagen, Glöckchen bimmelten. Die Kaàliten riefen den Namen ihrer Gottheit, umtanzten Aruula und zerrten an ihrem Haar. Aruula trat aus, traf einen Vermummten im Schritt und spuckte einem anderen ins Auge.
    Das Portal schloss sich. Die Kettenhunde bauten sich wieder auf. Kapitän Pofski und Karan Khan bebten vor Wut, doch sie kehrten wieder in den Busch zurück und begaben sich auf dem schnellsten Weg zu ihrem Ballon.
    ***
    Kapitän Pofski war von Karans Plan nicht gerade begeistert, aber wenn sie Aruula vor einem schrecklichen Schicksal bewahren wollten, hatten sie keine andere Möglichkeit: Sie mussten einen tollkühnen Vorstoß in die Höhle des Feindes wagen.
    Die normalen Zugänge zum Tempel waren ihnen aufgrund der erhöhten Wachsamkeit versperrt. Sie konnten nicht anders: Sie mussten aus der Luft angreifen.
    Zum Glück wussten sie, wo es einen Einstieg ins Nest der Kaàliten gab. Mit etwas Glück konnten sie den Turm nach Einbruch der Nacht ansteuern, den Ballon vertäuen und sich mit der Strickleiter in den Saal hinab lassen, in dem der tentakelbewehrte Wächter der Pforte zum Reiche Kaàlis seiner Beute harrte.
    Sie nutzen den Tag, um Brennholz zu sammeln.
    Anschließend schliefen sie sich in ihrem Versteck aus, denn sie hatten in den letzten Tagen kaum ein Auge zugetan.
    Als die Sonne unterging, fachten sie das Feuer an.
    Heiße Luft blähte den Ballon auf, bis er prall und rund war.
    Karan Khan löste den Anker. Er musste sich wie ein Artist an Bord schwingen, denn der Korb hob sofort ab.
    Es war ein lauer Abend. Die Luft war nach dem heißen Tag kühl und angenehm. Die Männer waren wach. Als sie sich dem Gebäude von hinten näherten, raunte Kapitän Pofski: »Wir müssen dem Baumeister des Tempels danken, weil er keine Fenster hat einbauen lassen, durch die man uns sehen könnte.«
    Dann konzentrierte er sich auf den Anflug. Minuten später befanden sie sich über der Kuppel. Pofski hielt Kurs. Karan schnallte sich an, ließ sich hinab und suchte die demolierte Kuppelspitze, um den Ballon zu vertäuen.
    Als er sie fand, spürte Pofski einen leichten Ruck. Nun konnte er die Hände von den Kurbeln und Seilen nehmen. Der Korb schwebte in einer leichten Brise auf der Stelle und drehte sich langsam um seine Achse.
    Pofski beugte sich über den Rand. Die Vorstellung, den Korb verlassen zu müssen und sich auf das abgerundete Kuppeldach zu begeben, löste in seinem Inneren heftige Angst aus. Seine Knie schlotterten. »Wie… wie ist die… die Lage?«
    Seine Zähne klapperten aufeinander.
    »Was ist los mit dir?« Karan Khan löste das Seil von seinem Gurrt und wandte sich um. Pofski sah seine goldenen Ohrringe und seine schwarzen Augen unternehmungslustig blitzen.
    »Hast du etwa Angst?«
    »Angst? Ich?« Pofski biss die Zähne zusammen. Karan sah wirklich verwegen aus: wie einer dieser Helden aus Lagerfeuergeschichten, die auf Zauberteppichen flogen und Dämonen, Untoten und Mutanten den Garaus machten. »Äh… ja.«
    Nun war es heraus. Er konnte es nicht mehr zurücknehmen.
    »Angst ist nichts, dessen man sich schämen müsste«, erwiderte Karan. »Du solltest
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