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162 - Ein Bildnis, das die Hölle schuf

162 - Ein Bildnis, das die Hölle schuf

Titel: 162 - Ein Bildnis, das die Hölle schuf
Autoren: A.F.Morland
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der Hand. Purviance stürzte sich auf den Nachtwächter. Sein Messerarm schnellte vor…
    ***
    Blut spritzte auf die Leinwand und bildete dunkle Flecken. Es rann ab und erreichte das granitgraue, klumpige Wesen. Purviance stellte fest, daß die Blutstropfen nicht senkrecht rannen. Egal, wohin er sie spritzte, ihr Ziel war immer dieses kleine graue Ungeheuer. Es zog den Lebenssaft an, nahm ihn auf. Überrascht und erfreut stellte der Künstler fest, daß sich das Gesicht seines Geschöpfs bewegte. Der Mund mit den weißen Zähnen öffnete sich und schloß sich, und Purviance vernahm schmatzende Laute.
    Sein Horrorwesen lebte!
    Es hatte das ganze Blut getrunken, das er auf das Gemälde gespritzt hatte, sein Bauch war jetzt gebläht. Nirgendwo auf dem Bild war noch Blut zu sehen. Das Wesen hatte alles an sich gezogen und geschluckt.
    »Mehr«, kam es von der Leinwand. »Ich will mehr.«
    »Du wirst mehr bekommen.«
    »Wann?«
    »Wenn ich es für richtig halte«, antwortete der Monster-Maler. »Vergiß nie: Du bist mein Geschöpf, ich habe dich gemalt, ich bin dein Meister, du hast mir zu gehorchen.«
    »Ja, Herr…« grollte das Wesen.
    James Purviance ging bald danach zu Bett. Am nächsten Morgen fragte ihn seine Frau, woher die Thermoskanne sei, die in der Spüle liege. Die Kanne hatte Paul Jordache gehört. Purviance hatte sie dazu benützt, das Blut des Nachtwächters nach Hause zu bringen.
    »Habe ich gefunden«, murmelte der Maler.
    »Wir sind zwar nicht stinkreich, aber was andere Leute wegwerfen, brauchen wir deshalb noch lange nicht«, bemerkte Edna.
    »Wenn sie dir nicht gefällt, schmeiß sie weg.«
    Sie frühstückten zusammen, und anschließend nahm der Künstler seine Frau mit ins Atelier. Als Edna sah, was ihr Mann gemalt hatte, schauderte sie, und sie konnte sich nicht erklären, wieso er so lange dazu gebraucht hatte. Das Wesen war ja bloß einfarbig - und nicht besonders groß, verglichen mit dem gesamten Bild.
    »Was sagst du dazu?« wollte Purviance wissen.
    Die Wahrheit konnte ihm Edna nicht sagen, denn an der war er nicht interessiert. Kritik hatte er noch nie vertragen. Er wollte stets gelobt werden. Es sieht scheußlich aus, hätte ihm Edna sagen müssen. So ein Geschöpf kann nur einem kranken Gehirn entspringen.
    »Es sieht… beeindruckend aus«, antwortete Edna. »Aber warum hast du es gemalt?«
    »Weil diesem Bild etwas fehlte - das Tüpfelchen auf dem i. Jetzt ist es komplett.«
    »So ein unheimliches Wesen in dieser wunderschönen Landschaft.«
    »Genau der richtige Kontrast!« behauptete James Purviance. »Dieses unscheinbare Geschöpf bringt die Ruhe des Gemäldes total aus dem Gleichgewicht. Es verkörpert eine unvorstellbare Bedrohung, weckt unangenehme Gefühle. Spürst du es?«
    »Sogar sehr deutlich«, antwortete Edna beklommen.
    »Wer dieses Bild betrachtet, kann sich seinem Bann nicht entziehen. Wie soll ich es nennen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wie wäre es mit ›Die Angst im Frieden‹? Ja, so soll es heißen.«
    So machte es James immer, Er fragte Edna etwas, traf die Entscheidung dann aber selbst, und sie durfte ihm nicht widersprechen.
    »Und für mein Geschöpf habe ich mir auch einen Namen ausgedacht«, fuhr er fort. »Es ist ein Gneel.«
    »Ein Gneel?« Edna wußte mit dieser Bezeichnung nichts anzufangen.
    »Ich finde, daß kein Name besser zu ihm paßt!« sagte der Monster-Maler.
    Und der Gneel grinste. Oder bildete sich das Edna nur ein?
    ***
    »Na, James, schon wieder fleißig am Schaffen?« sagte Eric Stoddard, als Purviance mit seinem Bild die Galerie betrat.
    »Eric, Sie altes Schlitzohr, diesmal habe ich Ihnen einen ganz besonderen Leckerbissen anzubieten, aber Sie müssen mir versprechen, mein Bild nicht wieder in die hinterste Ecke zu hängen, wo es keiner sieht, denn dieses Werk verdient Beachtung.«
    »Sind Sie wieder okay?« erkundigte sich der Galeriebesitzer, ein Mann mit feinen Zügen und vornehmem Gehabe.
    »Ich habe mich noch nie besser gefühlt«, antwortete der Künstler. »Der Unfall hat mir die Augen geöffnet. Jetzt erst sehe ich die Dinge richtig und erkenne Zusammenhänge, die mir bisher verborgen blieben.«
    »Das freut mich für Sie«, sagte Stoddard. »Und es macht mich neugierig. Lassen Sie mal sehen, was Sie mir gebracht haben.«
    James Purviance packte das Gemälde vorsichtig aus und stellte es auf die Staffelei, die zu diesem Zweck in Stoddards Büro stand. Der Galeriebesitzer trat zurück und betrachtete das Bild lange. Wie stets bei
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