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1605 - Blutnacht - Liebesnacht

1605 - Blutnacht - Liebesnacht

Titel: 1605 - Blutnacht - Liebesnacht
Autoren: Jason Dark
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darüber hinwegschauten, sahen sie zunächst nichts. Sie hörten auch keinen verdächtigen Laut. Es konnte daran liegen, dass sie nach dem schnellen Lauf zu heftig atmeten.
    »Wir müssen rüber, Harry!«
    »Okay.«
    Beide kletterten über die Mauerkrone hinweg. Schnee blieb an ihrer Kleidung kleben, was sie nicht weiter störte. Wichtig war, dass sie Anne Höller fanden.
    Vor ihnen breitete sich die Gräber aus. Wege waren nicht zu sehen. Der hohe Schnee hatte sie zugedeckt. Aber sie sahen die Steine und Kreuze, die ebenfalls weiße Haube trugen. Hin und wieder zeichneten sich auch die Abdrücke eines Tieres in der weißen Schicht ab.
    Harry deutete nach vorn. Es war die einzige Richtung, die sie gehen konnten. Immer der Nase nach und mit der Hoffnung verbunden, irgendwo auf Anne Höller zu treffen. Keiner von ihnen wollte sich so richtig vorstellen, dass sie mit offenen Augen in eine Falle gelaufen war, und das als Polizistin!
    Die Gräber schwiegen. Ihre Schritte verursachten ein leises Knirschen.
    Der Atem dampfte von ihren Lippen, wenn sie zischend ausatmeten.
    Ansonsten aber war nichts zu hören.
    Sie gingen weiter, hinterließen tiefe Spuren in der weißen Decke.
    Sie bekamen Anne Höller nicht zu Gesicht, und sie hörten auch ihre Stimme nicht.
    Dagmar hielt es nicht mehr aus. Auch wenn es falsch sein konnte, rief sie den Namen der Freundin. Nicht zu laut, das war in der Stille auch nicht nötig.
    Sie erhielten keine Antwort, und das bereitete ihnen schon Sorgen.
    Mehr als die Hälfte der Strecke hatten sie bereits hinter sich gelassen, als sie stehen blieben. Denn jetzt hatten sie etwas entdeckt.
    Nicht weit von ihnen entfernt lag eine Gestalt lang gestreckt im Schnee.
    »Mein Gott«, flüsterte Dagmar und lief los.
    Harry war vorsichtiger. Es konnte sich auch um eine Falle handeln.
    Deshalb blieb er zunächst stehen und schaute sich um. Seine Jacke hatte er aufgeknöpft, um besser an die Waffe heranzukommen.
    Er sah, dass Dagmar heftig winkte, und machte sich auf, um zu ihr zu gehen. Noch bevor er sie erreichte, hörte er ihr Keuchen und dann ihre gequälte Stimme.
    »Ich glaube, sie ist tot!«
    »Was?«
    »Ja, sie bewegt sich nicht mehr. Und so etwas wie einen Atem habe ich auch nicht gespürt.«
    Dagmar hockte neben der im Schnee liegenden Freundin. Hinter dem Kopf der Regungslosen ragte ein Grabstein hoch, als wollte er sie beschützen.
    Auch Harry kniete sich nieder. Er griff in die Tasche und zog eine schmale Lampe hervor. Er ließ die Strahlen über das Gesicht wandern und auch Dagmar schaute zu.
    Anne Höller lag auf der linken Seite. Ihre Augen standen weit offen. Aber es war kein Leben mehr in ihnen.
    »Sie ist tot, Harry«, flüsterte Dagmar. »Mein Gott, und wir haben es nicht verhindert!«
    Harry bewegte den Arm mit der Lampe. Der helle Kreis richtete sich dicht neben das Gesicht. Er traf den hellen Schnee, aber nicht nur ihn, sondern auch die Flecken, die sich dort rot abmalten.
    »Das ist ja Blut!«
    Harry nickte. »Du sagst es.«
    »Und?«
    »Hilf mir dabei, sie umzudrehen, denn die Wunde muss auf der anderen Seite sein.«
    »Okay.«
    Beide rollten den Körper auf den Rücken. Jetzt waren das Gesicht und auch die beiden Halsseiten besser zu sehen. An der linken entdeckten sie das Blut. Dort sahen sie eine Wunde, aus der der rote Lebenssaft gesickert war.
    »Aber das kann sie doch nicht umgebracht haben«, flüsterte Dagmar vor sich hin.
    »Hat es auch nicht.« Harry leuchtete genauer hin, reinigte mit der freien Hand die blutige Stelle am Hals und legte so die Wunde frei.
    Es gab genügend Licht für beide Beobachter. Harry Stahl nickte zum Hals hin und fragte mit leiser und rau klingender Stimme: »Weißt du, was das ist?«
    »Ja, zwei Bisswunden. Und wahrscheinlich sind sie von zwei Zähnen hinterlassen worden.«
    »Genau, Dagmar. Man hat deiner Freundin Anne hier auf dem Friedhof das Blut ausgesaugt…«
    Dagmar Hansen sagte nichts. Sie war nur so blass wie eine Leiche geworden.
    ***
    Zwischen den beiden Menschen herrschte plötzlich ein tiefes Schweigen. Sie hatten einer Bekannten nur einen Gefallen tun wollen, und niemand von ihnen hatte damit rechnen können, dass sie plötzlich wieder mit der anderen Seite konfrontiert werden würden.
    Aber es gab keinen Zweifel, die Bisswunden waren echt. Wahrscheinlich würde sich kein Tropfen Blut, mehr in Anne Höllers Adern befinden. Sie würde auch nicht erfrieren, denn sie war dabei, eine andere zu werden.
    Und dieses Werden nahm schon eine
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