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1601 - 10. Januar 1200

Titel: 1601 - 10. Januar 1200
Autoren: Unbekannt
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Intertech hatte Verträge mit Felgen- und Reifenherstellern, mit den Fabrikanten von Batterien und den Produzenten von Elektromotoren. Das Geschäft lief wie geschmiert, und ein Ende der gewinnträchtigen Tätigkeit war vorerst noch nicht abzusehen.
    Die Warnung, die von Regierungsseite bezüglich unvorhersehbarer Spätfolgen des Ereignisses ausgesprochen wurde, nahm man bei Acme Intertech ebensowenig ernst wie anderswo. „Was soll ich damit anfangen?" fragte Lep Wagner. „Es könnte irgendwann etwas passieren.
    Niemand weiß, wann, wo und was. Soll ich mir damit den Kopf schwer machen?"
    Joshu Ionson meinte, so ganz unnütz sei die Information nun auch wieder nicht. Wenn am nächsten Morgen plötzlich das Dach auf dem mittleren Fabrikgebäude verschwunden sei, dann wisse man wenigstens, wo man die Schuld zu suchen habe. Woraufhin Lep Wagner trocken bemerkte: „Davon haben wir dann aber auch was."
    Joshu ließ es dabei bewenden und wandte sich wieder seiner Arbeit zu, die seit neuestem darin bestand, Umrüstungsarbeiten zu terminieren und allzu ungeduldige Kunden mit dem Hinweis auf total überlastete Kapazitäten in Ruhestellung zu halten. Mit der eigentlichen Arbeit hatte Joshu nichts mehr zu tun. Die besorgten die mittlerweile zwölfhundert Angestellten der Firma.
    Am 31. Januar erschien Joshu Ionson wie üblich kurz vor acht Uhr in seinem Büro, überzeugte sich davon, daß der Radakom noch funktionierte, und machte sich daran, seine ersten Gespräche zu führen. Da war ein Transportunternehmer in Bayanhongor, der eine Flotte von achtzig Gleitern innerhalb von drei Tagen auf Elektromotorbetrieb umgestellt haben wollte. Mit dem Mann mußte man reden. Entweder er zahlte Sonderpreise, oder er mußte warten, bis er an die Reihe kam.
    Das Radakom-Netz war überlastet wie immer in diesen Tagen. Joshu wiederholte den Rufkode, drei-, vier-, fünfmal, ohne daß er durchkam. Der Türsummer meldete sich. Joshu rief: „Reinkommen!"
    Die Tür ging auf. Einer der leitenden Mechaniker trat ein. „Wir haben noch Reifen für sechs Fahrzeuge", berichtete er. „Wenn bis in zwei Stunden keine neue Lieferung eingetroffen ist, können wir den Laden vorerst zumachen."
    „Warum kommst du damit zu mir?" fragte Joshu. „Das ist Joes Ressort."
    „Ich versuche seit gestern nachmittag, Joe zu finden", erklärte der Mechaniker. „Er ist nirgendwo in Sicht."
    Joshu war überrascht. Joe Vermouth war keiner, der sich vor der Arbeit drückte. Joshu dachte darüber nach, wann er Joe das letztemal gesehen hatte. Das war vor zwei, nein, drei Tagen gewesen. Erst jetzt fiel ihm auf, daß Joe Vermouth, dem er sonst jeden Tag ein paarmal in die Quere kam, seit Montag nirgendwo mehr in Erscheinung getreten war. „Ich kümmere mich darum", versicherte er dem Mechaniker. „Arbeitet weiter wie gewohnt.
    Wenn die neuen Reifen nicht rechtzeitig eintreffen ...„Er hob die Schultern und ließ es dabei bewenden.
    Joe Vermouth bewohnte ein aus drei Zimmern bestehendes Quartier, das im südlichen Teil des Gebäudekomplexes lag. Dort konnte Joshu ihn nicht finden. Es gab auch keinerlei Anzeichen dafür, daß Joe sich während der vergangenen 24 Stunden hier aufgehalten hatte. Ein wenig ratlos ging Joshu die Treppe wieder hinunter und schickte sich an, den Fabrikhof zu überqueren. Er wollte Lep Wagner aufsuchen und ihn fragen, ob er irgend etwas über Joes Verbleib wußte. Um zu Wagners Büro zu gelangen, mußte er den ganzen Hof entlanggehen bis zu dem Gebäudeteil, der die östliche Begrenzung des Fabrikgeländes darstellte. Er hatte die Tür, hinter der die Treppe begann, die zu Lep Wagners Büro emporführte, etwa fünf Schritte vor sich, da hörte er zur rechten Hand einen merkwürdigen Gesang. Die Melodie kam ihm bekannt vor, aber mit dem Text wußte er nichts anzufangen. Er stammte aus einer Sprache, die Joshu Ionson nicht kannte.
    Er blieb stehen und sah sich um. Das Gebäude zu seiner Rechten war zweistöckig. In der obersten Etage stand ein Fenster offen, und durch diese Öffnung kam der Gesang. Joshu zwängte sich durch die nächste Tür und schritt die Treppe hinauf.
    Der Raum, aus dem die Stimme des Sängers erscholl, war leer und kahl. Joshu selbst hatte dafür gesorgt, daß er von altem Mobiliar befreit wurde, weil er hier eine positronische Rechenzentrale einrichten wollte. In einer Ecke, links vom Fenster, hockte Joe Vermouth am Boden. Er hatte seine alten, zerlumpten Kleider wieder angelegt, und während er vor sich hin sang,
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