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160 - Die Schrecken von Kabuul

160 - Die Schrecken von Kabuul

Titel: 160 - Die Schrecken von Kabuul
Autoren: Jo Zybell
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brabbelte aufgeregt, wischte sich den Rotz von der Oberlippe und winkte ihr hinterher.
    Rapushnik trottete gemächlich an Feuerstellen vorbei, an den mit Planen überspannten Verkaufsständen und schließlich am zentralen Springbrunnen. »Beweg dich Pushnik, mein Finger schmerzt immer mehr.«
    Aus schmalen Augen betrachtete Aruula die Menschen. Sie schmatzten alle auf irgendetwas herum, Kautabak vermutlich.
    An den Feuern entdeckte sie einige, die ähnlich brabbelten und strahlten wie ihr Stadtführer, und die ähnlich alt und verbraucht aussahen. Auch die jüngeren Leute wirkten zufrieden und heruntergekommen zugleich.
    Eigenartige Mischung, eigenartiges Volk.
    Drei oder vier Männer und einige Frauen jedoch fielen ihr auf, die nicht kauten. Hektisch und mit angespannten Mienen hetzten sie von Gruppe zu Gruppe. Die Männer machten irgendwelche Geschäfte, denn Aruula beobachtete, wie sie Textilien, Waffen oder Werkzeuge anboten und dafür mit etwas bezahlt wurden, das so klein war, dass Aruula es nicht erkennen konnte; Edelsteine vielleicht, Münzen oder sogar Goldkörner.
    Die Frauen schienen ihren Lebensunterhalt als Huren zu verdienen. Eine sah Aruula mit einem Mann, den sie zuvor am Brunnen angesprochen hatte, auf ein ehemals rotes Haus zustreben. Auch unter den Leuten an den Verkaufsständen beobachtete sie eine Hure, die sich einen Freier angelte und ihn zu genau demselben Haus abschleppte.
    Unter den Planen der Verkaufsstände entdeckte sie weitere Gestalten, die weder abgerissen noch kränklich wirkten; ausschließlich Männer. Braunäugig, schwarz- oder graubärtig und mit großen schönen Augen fielen sie ihr durch ihre aufrechte, stolze, ja fast ein wenig überhebliche Haltung und ihre samtbraune Haut auf. Auch ihre Kleidung unterschied sich von der der meisten anderen Leute, die den Platz bevölkerten.
    Sie trugen schwere Gewänder aus Wolle oder Leinen, blau und rot und vor allem grün. Die Tücher, die sie wulstartig um ihre Köpfe gewunden hatten, waren weiß oder schwarz oder, in seltenen Fällen, grün. So gefährlich es in den Blicken dieser Männer loderte, wenn sie die fremde Frau musterten, so schnell wandten sie sich wieder von ihr ab, sobald sie zurückgaffte.
    Aruula registrierte es amüsiert.
    Ein Gespann schwarzer Wakudas zog einen Karren über den Platz. Auf dem Kutschbock hockten zwei Männer in schwarzen Mänteln und mit roten Kopftüchern. Von allen Seiten liefen die Leute zusammen, gafften in das Gefährt und redeten danach auf die beiden Männer ein. Der Karren fuhr an Aruula vorbei, und sie konnte fünf oder sechs Leichen auf der Ladefläche erkennen: drei Taratzen und mindestens zwei Schwarzmäntel.
    Der Karren steuerte in eine der Gassen, die auf den Platz mündeten. Einer der Kutscher drehte sich nach Aruula um.
    »Nun mach schon schneller, Pushnik«, zischte Aruula.
    »Merkst du nicht, dass wir Aufmerksamkeit erregen?« Der Kamshaa-Bulle grunzte und lief noch langsamer. Aruula stieß einen Fluch aus, verzichtete aber darauf, ihm ihre Stiefelfersen in die Flanken zu treten. Rapushnik wäre vermutlich stehen geblieben und hätte sich zwei Stunden lang nicht mehr von der Stelle gerührt.
    Auf der anderen Seite des Platzes ertönte die Stimme einer Frau. Ein Mann hatte sie zu Boden gestoßen, jetzt rief sie um Hilfe. Eine der Huren, vermutete Aruula. Der Turbanträger, den sie angesprochen hatte, trat nach ihr. Drei oder vier andere sprangen herbei, packten sie und zerrten sie vom Platz und durch ein Tor rechts des Kuppelbaus in einen Hof hinein.
    Das Geschrei der Frau sorgte für einige Aufregung auf dem Platz. Die Leute sahen von ihren Geschäften auf, die abgerissenen Gestalten an den Feuerstellen und den Brunnen tuschelten miteinander. Einige zerlumpte Frauen eilten dem roten Haus entgegen – ohne Freier – oder suchten Schutz bei den Säbelträgern mit den schwarzen Mänteln. Die Schreie der Frau entfernten sich, blieben aber noch immer deutlich hörbar.
    Endlich erreichte Rapushnik die andere Seite des Platzes.
    Von der Vortreppe des Kuppelbaus erhoben sich sieben oder acht Lumpengestalten. »Willkommen in Kabuul, fremde Frau…! Alla segne dich …! Glück auf deinen Wegen …!« Solche und ähnliche Grüße und Wünsche ausstoßend, eilten sie Aruula und ihrem Reittier entgegen. Einige grinsten heiter und winkten ihr fröhlich zu, als würden sie in ihr eine alte Freundin wieder erkennen.
    Ehe Aruula sich versah, umringte die Schar das Kamshaa.
    Zwei selig grinsende Bettler
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