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16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
Autoren: Karl May
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Kaftan auseinander. Richtig, da hing an jeder Seite eine Krücke. Beide waren mit Gelenken versehen und konnten zusammengeschlagen werden.
    Bei dieser Gelegenheit sah ich, daß die Innenseite des Kaftans anders gefärbt war, als die Außenseite. Das Kleidungsstück hatte viele Taschen. Ich griff in die erste beste und fühlte einen haarigen Gegenstand. Ich zog ihn heraus. Es war eine Perücke, ganz genau das wirre, struppige Haar, wie ich es bei dem Bettler gesehen hatte.
    Der Kerl war so erschrocken, daß er alle Gegenwehr vergaß. Jetzt aber stieß er Hilferufe aus und schlug mit den Armen um sich.
    „Osco, Omar, haltet ihn! Greift aber tüchtig zu! Wenn es ihm auch weh tut!“
    Die beiden Genannten packten ihn, so daß ich nun beide Hände frei bekam. Da Halef das eine Ölgefäß herbeigeholt hatte, wurde unsere interessante Gruppe hell erleuchtet, so daß die Anwesenden alles deutlich sehen konnten. Sie verhielten sich ruhig.
    „Dieser Mensch, den ihr für einen Heiligen haltet“, fuhr ich fort, „ist ein Verbündeter des Schut oder wohl gar der Schut selbst. Seine Wohnung ist der Aufenthalt von Dieben und Räubern, wie ich euch nachher beweisen werde. Er schleicht in allerlei Verkleidungen im Lande umher, um Gelegenheiten zu Verbrechen auszukundschaften. Er und der Bettler Sakat sind eine und dieselbe Person. Hier hat er sich die Krücken unter den Achseln angebunden. Wenn sie beim Gehen aneinander stießen, habt ihr geglaubt, daß seine Gebeine klappern. Hier ist die Perücke, welche er als Krüppel trug.“
    Ich leerte nach und nach seine Taschen, betrachtete die einzelnen Gegenstände und erklärte deren Gebrauch, indem ich fortfuhr:
    „Hier ist eine Büchse mit Farbenmehl, welches dazu diente, seinem Gesicht schnell eine andere Farbe zu geben. Da ist der Lappen, mit welchem er sich die Farbe rasch wieder abwischen konnte. Jetzt seht ihr eine Flasche, noch halb voll von Wasser, jedenfalls um sich auch an Orten, wo kein Wasser vorhanden war, nach Bedürfnis reinigen zu können. Und nun seht ihr – ja, was ist denn das? Das sind zwei kleine Halbkugeln aus Gummi. Er hat sie sich in die Backen gesteckt, wenn er den Bettler machen wollte. Das Gesicht war dann dicker als vorher. Seht ihr die verschiedene Färbung des Kaftan? Als Bettler zog er ihn aus, drehte die dunkle Seite nach außen und schlang ihn um den Leib. Dann sah das Gewand aus wie ein altes Tuch. Habt ihr jemals den Mübarek und den Bettler beisammen gesehen? Gewiß nicht. Das war ja ganz unmöglich, da beide nur eine Person waren. Und hat sich nicht der Mübarek gerade zu der Zeit zum erstenmal sehen lassen, in welcher auch der Bettler in diese Gegend kam?“
    Diese letzteren Argumente schienen überzeugend zu sein, denn ich hörte von allen Seiten Ausrufe verwunderter Zustimmung erschallen.
    Jetzt zog ich ein kleines Päckchen aus der Tasche. In einen alten Lumpen gewickelt erschien ein Armband von alten venezianischen Goldzechinen. Bei einigen der Münzen war die Prägung gut erhalten. Ich sah beim Schein der Flamme auf dem Avers das Bild des heiligen Markus, welcher dem Dogen die Kreuzesfahne reicht, und auf dem Revers das Bild eines andern, mir unbekannten Heiligen, von Sternen und der Inschrift umgeben: Sit tibi, Christe, datus, quem tu regis, iste ducatus.
    „Hier ist ein Bilezik von zwölf goldenen Münzen, in einen Lappen gewickelt“, fuhr ich fort. „Wer weiß, wo er es gestohlen hat! Wenn ihr nachforscht, wird sich die Besitzerin vielleicht finden lassen.“
    „On iki zikkeler – Zwölf Münzen?“ rief eine Frauenstimme hinter mir. „Zeig her! Mir ist ein solches Armband in voriger Woche aus dem Kasten gestohlen worden.“
    Nohuda, die ‚Erbse‘, war die Sprecherin. Sie trat herbei, nahm mir das Armband aus der Hand und betrachtete es.
    „Allah!“ rief sie. „Es ist das meinige. Es ist ein altes Erbstück meiner mütterlichen Vorfahren. Schau her und überzeuge dich, daß es mir wirklich gehört!“
    Sie gab es ihrem Mann.
    „Bei Allah, es ist das deinige!“ stimmte dieser bei.
    „So besinne dich, Nohuda, ob der Mübarek zur betreffenden Zeit bei dir gewesen ist“, sagte ich.
    „Der Mübarek nicht, aber der Krüppel. Er wurde hereingerufen, um ein Essen zu empfangen. Ich hatte meinen Schmuck auf dem Tisch liegen und legte ihn in den Kasten zurück. Das hat er gesehen. Als ich nach einigen Tagen zufällig nachschaute, war das Armband weg.“
    „So kennst du nun den Dieb.“
    „Er ist's. Er hat es; es ist erwiesen. O
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