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16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
Autoren: Karl May
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rief eine Stimme.
    „Allah segne dich, mein Freund, daß du in der Zeit deiner Jugend auf den Gedanken gekommen bist, die Stoffe des Webers mit Zwirn zusammenzuheften, so daß die Männer deines Volkes ihre Arme und Beine hineinstecken können! Aber – kannst du auch Risse verschließen?“
    „So fein, daß es noch hübscher aussieht, als vorher.“
    „So bist du ein großer Usta ijnenün (Meister der Nähnadel). Aber hast du auch ein Bügeleisen bei dir?“
    „Zwei sogar!“
    „So überantworte ich dir den Anzug meines Freundes und Gebieters. Du sollst ihn trocknen und ausbügeln, und diesen Riß sollst du unsichtbar machen. Wenn du das so tust, daß niemand ihn sehen kann, wirst du ein Bakschisch erhalten, und die Gläubigen aller Länder werden sich deiner Kunstfertigkeit freuen und deinen Ruhm verbreiten bis an die Grenzen, wo das Weltall ein Ende hat. Hier nimm den Anzug in deine Arme, und der Geist des Propheten erleuchte dich!“
    Ich mußte lachen, denn ich stellte mir das ernsthafte Gesicht des Kleinen vor, mit welchem er diese Tirade zum Vorschein brachte. Als er zu mir zurückkehrte, fand er mich mit der Untersuchung meines Gipsverbandes beschäftigt.
    „Dem sieht man es auch an, daß er im Wasser gewesen ist“, sagte er. „Ist er aufgeweicht?“
    „Nein; aber ich möchte ihn doch entfernen. Es sind zwar nur wenige Tage vergangen, seit er angelegt wurde; doch meine ich, es wagen zu dürfen.“
    Wir beseitigten mit unseren Messern den Verband, ohne daß ich den mindesten Schmerz dabei empfand. Das war sehr günstig. Als der Fuß von dem Gips befreit war, versuchte ich aufzutreten. Es ging über Erwarten gut. Ich schritt sogar einige Male in dem Verschlag hin und her, wobei ich ziemlich fest auftrat. Die Verstauchung war wohl geringer, als ich gedacht hatte.
    „Nun wirst du diese Stiefel der Gicht nicht wieder anlegen?“ fragte der Hadschi und deutete auf die genannte Fußbekleidung, welche allerdings durch das Wasser ein höchst trauriges Aussehen angenommen hatte.
    „Nein; ich lasse sie hier.“
    „So wollen wir sie den Arbeitern schenken, welche sich derselben als Kaffeetrichter bedienen können, denn in dieser Gegend lassen die Leute den Kaffee durch einen Sack laufen, weil er ihnen sonst zu gut schmecken würde. Allah hat sehr verschiedene Geschöpfe in seinem Reich. Nun kannst du wieder deine hohen Lederstiefel tragen und wirst ein ganz anderes Aussehen haben. In den Gichtstiefeln kamst du mir vor wie ein Ahne des Urgroßvaters, der seine Zähne bereits vor der großen Sintflut verloren hat. Soll ich die ledernen holen? Ich habe sie auf mein Pferd geschnallt.“
    Ich gab meine Zustimmung und fand dann, daß der Fuß in diesen Stiefeln hinreichend Halt bekam. Da ich die meiste Zeit des Tages im Sattel saß, so brauchte ich ihn ja nicht anzustrengen.
    Der geliehene Anzug paßte nicht übel, da der Besitzer von meiner Gestalt war. Er freute sich darüber, als er mich erblickte und bat uns, in seine Hütte zu kommen, damit sein Weib sich bei mir bedanken könne.
    Die Arbeiter saßen beisammen und aßen. Ihr Mittagsmahl bestand aus einem dicken Brei von Maismehl, das nur in Wasser aufgequollen war. Damit sind diese Leute Tag für Tag zufrieden.
    Die Frau wollte, als wir zu ihr kamen, sich in großen Danksagungen ergehen; ich bat sie aber, zu schweigen. Ihr Mann saß dabei und war so glücklich über ihre Rettung, daß ich annehmen mußte, sie hätten sich ungewöhnlich lieb. Im Verlauf des Gesprächs erfuhr ich nun, daß beide Christen waren.
    „Ich freue mich sehr darüber, daß auch du ein Christ bist“, sagte der Mann zu mir.
    „Woher weißt du das?“ fragte ich ihn.
    „Deine beiden Begleiter sagten es mir, während du die Anzüge wechseltest. Ich habe auch gehört, daß du kein Untertan des Großherrn bist, sondern zu dem Volk gehörst, welches den großen, siegreichen Krieg gegen die Fransyzler geführt hat.“
    „Bist du aus der hiesigen Gegend?“ fragte ich dagegen.
    „O nein. Wir stammen fast alle aus dem Gebirge, wo es so viele arme Leute gibt. Die Bewohner dieser Ebene haben keine Lust, an der Bahn zu arbeiten. Als es hieß, daß hier bei diesem Bau Brot zu finden sei, machten sich viele Leute meiner Gegend auf, um herbeizuziehen. Und da ich als Mimar (Baumeister) gelernt habe, so übernahm ich die Führung und beaufsichtige sie noch heute.“
    „So hast du eine höhere Schule besucht?“
    „Nein. Ich bin der zweite Sohn meines Vaters. Mein ältester Bruder wird das Haus
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