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159 - Schimären der Wüste

159 - Schimären der Wüste

Titel: 159 - Schimären der Wüste
Autoren: Michael M. Thurner
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Schock gepackt.
    Aruula kam zu sich.
    Fassungslos betrachtete sie ihren Daumen, in dem die Nadel stak.
    Moogan hatte sie in Besitz genommen, ohne dass sie es bemerkt hatte!
    ***
    Die Barbarin versorgte die beiden jungen Schimären in aller Eile, bettete sie in die Wombos-Schüsseln und flüchtete aus der Enge des Unterschlupfes nach oben in die große Krusten-Höhle.
    Hier war die Luft ein wenig besser. Sie atmete tief durch, genoss die Ruhe des riesigen Raumes, der fast so etwas wie Andächtigkeit ausstrahlte. Möglicherweise könnte sie sich hier wohl fühlen, wenn sie etwas länger…
    Verflucht!
    Moogan kam und ging, spielte mit ihren Gedanken und formte sie nach seinem Gutdünken. Fast meinte sie, sein helles Gelächter in sich zu hören.
    Wie machte er das bloß?
    »Komm zu mir!«, hörte sie plötzlich ein leises Flüstern. Es war wie das Rascheln eines Stücks Papier im Wind.
    Aruula blickte sich aufmerksam und misstrauisch zugleich um. War dies ein weiterer Anlauf Moogans, sie in seinem Sinne zu beeinflussen?
    »Hierher!«
    Die Stimme drang hinter einem kugelförmigen Felsen hervor. Eine Gestalt lag dort, klein und hutzelig. Ihr schmaler Brustkorb hob und senkte sich unregelmäßig; eine Hand war wie hilfesuchend in ihre Richtung ausgestreckt.
    Langsam trat Aruula näher. Niemand außer ihr war zu sehen; lediglich das allgegenwärtige Wispern, das aus den vielen Löchern und Hütten drang, bildete jenen Klangteppich, an den sie sich allmählich gewöhnte.
    Es war die alte Frau mit der entblößten Stirn, der sie heute auf dem Weg zu Moogan begegnet war. Aruula bückte sich, richtete ihren Oberkörper gerade und wischte Speichel von dem ausgezehrten Gesicht. Die Alte lag im Sterben.
    »Du bist die Neue, nicht wahr? Die starke Frau, die ihm Widerstand leistet.« Das Weib seufzte leise. »Wir haben lediglich ein paar Minuten. Moogan spürt, dass es mit mir zu Ende geht. Er wird bald kommen und mir die Augen zudrücken. Also hör gut zu und unterbrich mich nicht.«
    Sie hustete. Aruula wickelte ihr hastig die einengenden Stoffbahnen vom Hals und schaffte ihr so ein wenig Erleichterung.
    »Mein Name ist Di’sin. Ich wurde geboren, lange bevor Moogan in das Lager der Schimären kam. Ich werde dir die Geschichte unseres Stammes erzählen…«
    ***
    »Vor mehr als vierzig Jahren kam der blonde Jüngling mit dem hübschen Gesicht in das Terrain der Schimären. Er war auf der Flucht vor mehreren Wüstenreitern eines anderen Stammes, mit dem wir in erbitterter Fehde lebten. Mein Gedächtnis lässt mich im Stich; ich kann nicht mehr sagen, aus welcher Richtung er kam. Heute ist es auch einerlei. Wir nahmen ihn auf, verköstigten ihn und pflegten seine Wunden. So wie es die Gastfreundschaft der Schimären gebot. Moogan dankte es uns, indem er die Männer bei der Jagd begleitete und die Frauen galant vor Unbill beschützte. Es dauerte nicht lange, bis wir ihn als einen der Unseren betrachteten. Sein freundliches, stets gut gelauntes Gemüt überstrahlte uns alle und sorgte für Glück und Zufriedenheit. Doch nicht für lange. Eines Tages fanden wir Moo’dio, bis zur Leibesmitte im Sand eingebuddelt. Er hatte sich in die Jagdgebiete der Quallen vorgewagt und ihnen seinen Körper als Nahrung angeboten. Sie hatten ihn von unten her aufgefressen. Hilf mir bitte weiter hoch. Wie, sagtest du, ist dein Name? Aruula? Gut denn… Zuerst dachten wir, es handle sich um einen Einzelfall. Dass die ewige Hitze Moo’dio das bisschen Verstand, das er besaß, weggebrannt hatte. Aber kurz darauf gab es einen zweiten unerklärlichen Selbstmord, und plötzlich trugen viele Jugendliche merkwürdige Selbstverstümmelungen zur Schau. Sie prahlten damit, welche Schmerzen sie aushalten konnten, und überboten sich damit. Es war wie eine böse Krankheit, die um sich griff. Sie konnte jeden befallen. Ob jung oder alt, ob dumm oder mit Verstand gesegnet. Moogan zeigte sich besorgt; im Rat der Männer schlug er vor, für eine gewisse Zeit die Oberfläche zu meiden. Vielleicht lag etwas Giftiges in der Luft, oder die Strahlen der Sonne trockneten das Gehirn aus. Seine Rede war wie immer sehr überzeugend. Er lässt es einen nicht spüren, was er tatsächlich will. Er bearbeitet sein Gegenüber so lange, bis dieses meint, eigentlich seinem eigenen Willen zu folgen. Er greift in die Köpfe der Menschen und formt ihre Gedanken wie Wachs… Wir zogen uns also in die Kruste zurück. Moogan hatte den Höhlenraum kurz zuvor entdeckt und war der Meinung,
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