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159 - Magie der Rothäute

159 - Magie der Rothäute

Titel: 159 - Magie der Rothäute
Autoren: Dämonenkiller
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der Stammväter der Inselbewohner.
    Weiße Ringe lagen um die Augen. Breite weiße Streifen zogen sich über die Nase bis zu den Ohren. Wie die Angehörigen des Stammes war Antaq völlig nackt. Neben ihm lagen die Waffen: ein kräftiger Bogen, Pfeile mit haarscharf zugeschlagenen Steinspitzen, und der hölzerne Schädelbrecher, in dessen gespaltene Spitze ein fast doppelt handgroßer, dreieckiger Stein eingepaßt war. Hundertfünfzig Kinder, Weiber und Männer warteten auf die Magische Stunde.
    Flammen zuckten und wirbelten. Funken drehten sich in die Dunkelheit hinauf und wetteiferten mit dem kalten Leuchten der unzähligen Götteraugen. Dröhnende Trommeln und das harte Stampfen unzähliger Füße bereiteten Mensch und Tier auf den letzten Kampf vor.
    Mehr als sechs Ellen lang, knapp drei Ellen im Widerrist hoch, von unvorstellbarer Kraft mit den langen Pranken, den dolchartigen Klauen und dem mächtigen weißen Gebiß aus scharfen Zähnen, das Weibchen nur eine Spur kleiner und ebenso mörderisch in seiner Wut - das waren die zwei gefangenen Kodiakbären. Sie waren rasend vor Hunger und Furcht. Die Beothuk hatten sie mit Feuerbränden getrieben und mit Netzen gefangen. Drei Jäger hatten dafür mit dem Leben bezahlt.
    Denn es hatte gegolten - so befahl es der Schamane -, daß die zwei Kodiaks unverletzt gefangen werden mußten. Sie bewegten sich polternd hinter den Baumstämmen und unterbrachen immer wieder den Takt der Trommeln mit ihrem zornigen Brüllen.
    Der lange Abend war vorbei; die Nacht zählte noch nicht viele Stunden. Kaltes Mondlicht fiel jetzt auf die Flächen aus festgestampftem Lehm und Gras und Moos zwischen den Hütten. Die Erregung der Beothuk wuchs. Sie wußten, was ihnen bevorstand.
    Der Feind wartete. Viele würden verwundet werden und sterben. Der Gegner war mächtiger, denn seine Waffen töteten aus der Ferne mit Blitz, Knall und Kugel.
    Die Stunde des Sterbens war gekommen, wenn zwischen den Nebelbänken der Bucht die ersten Sonnenstrahlen hindurchzucken würden wie die Pfeile des Jägers.
    Männer liefen mit Reisigfackeln zum Feuer. Nach zwanzig Trommelschlägen hatte sich zwischen der Hütte des Schamanen und der Plattform des Häuptlings ein Spalier gebildet.
    Klutna, der Schamane, trat aus dem Eingang. Seine Kleidung leuchtete im Licht der Feuer und der Fackeln auf.
    Weiches Leder, Perlenschnüre aus Walbein und Knochen, aus Steinen und getrockneten Beeren, Stickereien und Bänder bewegten sich. Lederschnüre hingen von den Enden der Bisonhörner herunter. Die Steine an ihren Enden klickten gegeneinander. Das Gesicht Klutnas, mit drei magischen Farben in Streifen und Zickzack bemalt, sah aus dem Fell und den Kieferknochen des Rinderschädels hervor. In den Händen und über den Schultern trug der Schamane die geschälten Birkenstäbe mit Ritzzeichnungen, den Bärenzauber und unzählige andere Kleinigkeiten: Vogelbälge, Schlangenhäute, winzige Totenschädel und blinkende Steine mit schwarzen Adern.
    Langsam ging Klutna durch die Doppelreihe der Fackeln. Er schüttelte die Rasseln. Die Beothuk duckten sich unter dem harten Geräusch.
    „Die Magische Nacht ist gekommen", rief Klutna. Er hatte eine heisere Stimme, die voller Eindringlichkeit war. „Ihr alle wißt es!"
    „Hurqha! Hurqha!" riefen eineinhalb hundert Kehlen in angstvollem und zugleich trotzigem Chor. Der Schamane faßte zusammen, was sie hier und heute zu tun hatten.
    „Vor vielen Jahren kam der Weiße Mann mit seinen großen Kanus!"
    „Hurqha!"
    „Die Weißen fischten und zerschnitten den Fisch. Lange Jahre halfen wir ihnen dabei. Sie ließen Frauen und Männer zurück. Sie machten uns die Jagd streitig."
    Wieder erscholl der Ruf der Zustimmung.
    „Lange Zeit kämpften wenige Jäger mit wenigen Weißen. Mann gegen Mann. Wenige wurden getötet.
    Zur Zeit meines Vaters kamen die Weißen mit den Rohren aus Blitz und Donner. Sie sprachen die Sprache des Todes. Viele Beothuk starben."
    Die Beothuk hörten und verstanden. Sie lebten mit der Vergangenheit in einer Weise, als habe sie gestern stattgefunden. Erzählungen und Schilderungen wurden lebensecht und farbig vom Großvater zum Vater und von diesem an den Sohn weitergegeben. Jahrzehnte wurden so zu Stunden, jedermann begreifbar und gegenwärtig.
    „Wir Beothuk, überall auf der Insel, wir wehrten uns. Aber die Weißen, die sich
baskes
nennen,
franzoas
oder
britten,
sie lassen uns nicht in Ruhe. Jeder Weiße, der ein Feuerrohr trägt, macht Jagd auf uns. Wir wehrten
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