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156 - Auf dem roten Planeten

156 - Auf dem roten Planeten

Titel: 156 - Auf dem roten Planeten
Autoren: Jo Zybell
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die hydraulische Sitzfläche seines Rollstuhls bis zum Anschlag ausgefahren, sodass sich die Öffnung des großen Aquariums eine Handbreite unterhalb der Armlehne befand. Scheinbar aufmerksam beobachtete er, wie die blau und rot schillernden Fische nach den Futterkrümeln schnappten. Tatsächlich aber hörte er dem Bericht des jungen Braxton zu und behielt zugleich den Spiegel im Auge. Die rückwärtige Innenwand des Aquariums bestand aus einer Spiegelfläche, und in ihr konnte der Patriarch die Gestalt seines zweiten Besuchers betrachten.
    Die Frau – er hatte sie seit Jahren nicht mehr gesehen – hielt sich etwas im Hintergrund.
    »Zur Stunde vernehmen sie den Sicherheitsmagister und einen seiner Submagister.« Der blonde Schönling brachte neue Nachrichten aus der Ratssitzung. »Ettondo Lupos ist der Meinung, dass diese Vernehmung den Standpunkt der Präsidentin nicht mehr wesentlich beeinflussen wird.«
    Im Grunde dauerte diese Ratssitzung schon vier Tage lang und wurde stundenweise zu Essens- und Schlafenspausen unterbrochen. Was konnte schon Gutes herauskommen bei solchen Marathonsitzungen?
    »Ratsherr Ettondo Lupos glaubt, das Schicksal des Erdbarbaren sei besiegelt«, schloss der Blonde.
    »Da mag er Recht haben.« Wieder ließ der Alte eine Prise Fischfutter ins Aquarium fallen. »Die Präsidentin wird alle Hebel in Bewegung setzen, um den Erdmann zu finden, und wenn sie ihn gefunden hat, wird sie ihn beseitigen, ohne sich die Finger schmutzig zu machen.« Jarro Fachhid stieß ein verächtliches Grunzen aus. Er verschloss die Futterdose und senkte die Sitzfläche seines Rollstuhls ab. »Ist die Stimmung noch immer gereizt?«
    »Gereizt ist untertrieben.« Curd Renatus Braxton winkte ab.
    »Isbell sagt, es hätte nicht viel gefehlt, und sie wären aufeinander losgegangen.«
    »Nicht zu fassen.« Der Patriarch des Hauses Gonzales schüttelte seinen schweren Schädel. Zwei der sechs oder sieben Haarsträhnen, die ihm geblieben waren, rutschten ihm ins pergamenthäutige Gesicht. »Natürlich nur Folgen des Bösen, das der Erdmann eingeschleppt hat, habe ich Recht?«
    »Genauso deutet es die Präsidentin, sagt Isbell«, bestätigte der Blonde.
    Der Patriarch lachte zynisch. »Diese Heuchlerin!« Weder Ettondo Lupos, der Vertreter des Gonzaleshauses im Regierungsrat, noch Isbell Antara kamen während der Sitzungspausen in einen seiner Wohnsitze. Zu gefährlich. Auch über PAC und Holofunk nahmen sie keinen Kontakt auf.
    Beides war nicht hundertprozentig abhörsicher. Doch der junge Braxton erstattete alle vier Stunden Bericht. Er war Isbell Antaras Geliebter und engster Vertrauter.
    Der Patriarch lächelte hintergründig, denn plötzlich stellte er sich vor, wie Isbell den jungen Mann während der Sitzungspausen ins Bett zerrte und ihm die neuesten Nachrichten ins Ohr stöhnte, während sie ihn nahm.
    Er schüttelte die reizvolle Fantasie ab. »Schade, dass da irgendjemand schneller war als wir«, seufzte er. »Doch das ändert nichts an unserem Ziel. Die Zusammenarbeit mit dem Erdmann wird unserem Haus unschätzbare Vorteile bringen. Soll die Präsidentin sein angeblich so kriegerisches Potential fürchten, wenn sie mag. Wir werden uns sein wissenschaftliches und technisches Know-how zunutze machen. Wenn wir ihn also schon nicht mehr durch eine Entführung retten können, retten wir ihn uns eben, indem wir ihn aus den Händen seiner Entführer befreien.« An Curd Renatus Braxton vorbei blickte der Alte die Frau im Hintergrund an. »Traust du dir eine solche Mission zu, mein Kind?«
    »Ja, Großvater, das traue ich mir zu.« Die Frau trat näher.
    Sie war nur knapp zwei Meter groß, hatte ungewöhnlich schmale Hüften und ziemlich breite Schultern. Ihr kurzes schwarzes Haar trug sie auffällig modelliert: In Form von zwei oder drei Dutzend Stalagmiten ragte es stachelartig von ihrem quadratischen Schädel. »Ich habe zwei Jahre als Submagister des Sicherheitsdienstes von Phönix gedient, und drei Jahre ein Expeditionscorps am Südpol kommandiert, bevor ich…«
    »Ich weiß, ich weiß, Athena.« Seine erhobene Rechte brachte die Frau zum Schweigen. »Auch wenn du offenbar nie Gelegenheit hattest, deinen Großvater zu besuchen oder wenigstens den Kontakt mit ihm zu pflegen, so war ich doch immer auf dem Laufenden über deine Karriere und dein persönliches Ergehen. Dein Bruder geht bei mir ein und aus. Er ist mir ein großer Trost in meiner Gefangenschaft.«
    Athena Tayle Gonzales antwortete nicht. Sie war eine
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