Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
156 - Auf dem roten Planeten

156 - Auf dem roten Planeten

Titel: 156 - Auf dem roten Planeten
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
Antara wissen, dass er bei seiner Strategie bleiben soll. Je loyaler er sich der Präsidentin gegenüber gibt, desto ungestörter können wir arbeiten.«
    Die Tür zum Wintergarten öffnete sich, ein halbwüchsiges Mädchen kam herein – Jarro Fachhids Urenkelin und Pflegerin.
    »Das wäre es zunächst«, sagte der Alte lächelnd. »Ich danke euch, und viel Glück!« Der Blonde und die Frau quittierten sein Lächeln mit einer Verneigung, machten kehrt und gingen an dem Mädchen vorbei aus dem Wintergarten.
    »Ich habe das Bedürfnis nach einem Mittagsschläfchen, Rulia Fredis.« Der Patriarch steuerte seinen Rollstuhl der Tür entgegen. »Sei so lieb und bring mich zu Bett.«
    ***
    Das Rieseninsekt zirpte, rührte sich jedoch nicht von seinem Ast. Seine Fühler vibrierten, und zwischen seinen Kauzangen quoll grünlicher Schleim hervor. Matt Drax entdeckte plötzlich, dass die andere Seite des Stammes auf einer Höhe von fast zwei Metern mit diesem Schleim bedeckt war. Der Erdenmann wagte nicht, das Sekret zu berühren, jedoch kam es ihm fest und hart vor. Fast sah es aus, als würde der Mammutkäfer hier an einer Art Nest arbeiten.
    Nach und nach schälten sich die Konturen weiterer Käfer aus dem rostroten Laub. Fünf Tiere machte Matt aus. Alle hockten und hingen irgendwo an den Rändern der Platte aus verfestigtem Schleim und sonderten dort ihr Sekret ab. Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie ihn beobachteten. Seine Nackenhaare stellten sich auf.
    Schnell weiter. Er griff nach dem nächsten Holm, stemmte das Bein auf den nächsten Stufenkeil. Die Käfer blieben zurück. Bald erreichte er einen durch Geländer gesicherten Steg, der über ihm vom Stamm weg in die Außenbereiche der mächtigen Baumkrone führte und dort aus dem Blickfeld verschwand. Schwarzstein lehnte über das Holzgeländer und wartete.
    Er und der zweite Junge verhielten sich dem Anführer der Waldleute gegenüber wie seine Söhne. Aus ihren Gesprächen jedoch hatte Matt Drax herausgehört, dass sie so etwas wie seine Jünger waren; Schüler also, die zugleich das Leben mit ihm teilten und ihm dienten. Drax war kein Historiker, aber er meinte sich zu erinnern, dass solche sozialen Konstellationen auch in der irdischen Antike vorgekommen waren.
    Er kletterte auf den Steg, schon wieder außer Atem. »Hast du diesen Riesenkäfer gesehen, Junge?« Der Weißhaarige nickte. »Was war das für ein Biest?« Matt drehte die Sauerstoffzufuhr hoch und verschnaufte ein wenig.
    »Ein Tjork. Sie gehören zu uns.«
    »Bitte? Sie gehören zu euch?«
    »Ja. Sie gehören zu uns. Sagte ich doch.«
    Der Mann aus der Vergangenheit stutzte – der Tonfall des Jungen machte deutlich, dass für ihn das Thema erledigt war.
    Matt Drax akzeptierte das; vorläufig. »Und wohin führt der Steg?« Er ließ sich neben dem Jungen auf die Holzplanken nieder, unterbrach die Sauerstoffzufuhr und nahm die Sauerstoffmaske ab, um sich den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen.
    »Es ist eine Baumbrücke«, sagte Schwarzstein. »Sie führt in den nächsten Baum.« Er sprach mit rauer, ziemlich tiefer Stimme. Rotes Laub hing in seinem weißen Haargeflecht. Matt mochte den Jungen. Seine Augen lachten, selbst wenn er eine ernste Miene schnitt; und das tat er meistens.
    »Okay, eine Baumbrücke. Und wohin führt sie?«
    »Zum Waldsitz des Weltenwanderers. Was bedeutet ›okay‹?«
    »So viel wie ›in Ordnung‹. Ein Vorarbeiter von Ford hat das Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in die Welt gesetzt.«
    Jetzt strengte ihn schon das bloße Reden an. Matt setzte die Maske wieder auf. »Er stand am Ende des Montagebandes und zeichnete jeden neuen Ford mit seinen Initialen ab. Er hieß Oscar Keller, glaube ich. Oder Oscar Keyman? Nein – Oscar Kayne…« Drax winkte ab und zuckte mit den Schultern.
    »Egal, seine Initialen lauteten jedenfalls O.K., okay?«
    »Was für ein Montageband, und was ist ein ›Ford‹, und woher willst du wissen, was ein Vorarbeiter im zwanzigsten Erdjahrhundert tat?« In den dunklen Augen des weißhaarigen Jungen loderten Schrecken und Neugier zugleich.
    »Ein Ford ist ein amerikanischer Wagentyp, ich bin im zwanzigsten Jahrhundert auf der Erde geboren, und ein Montageband ist…« Drax winkte ab. »Nun ja, ein Band eben… Was ist ein ›Weltenwanderer‹?«
    »Es gibt nur den einen, und das ist der verehrte Erste Baumsprecher Sternsang.« Die Stimme des Jungen war plötzlich heiser. »Wie alt bist du denn?«
    »Das frage ich mich auch manchmal.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher