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1559 - Atlan und der Linguide

Titel: 1559 - Atlan und der Linguide
Autoren: Unbekannt
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Bedeutung erhalten konnte.
    Man stelle sich das Weltbild eines Individuums als ein großes Brett vor, auf dem Tausende von Kristallen dicht nebeneinanderliegen. Jeder dieser Kristalle ist ein Begriff. Alle Individuen eines Volkes haben auf ihren Brettern ungefähr die gleiche Zahl und Auswahl von Begriffen.
    Das ist ihre Subjektive Realität - ein Abbild der materiellen Wirklichkeit, in der sie leben.
    Aber auf jedem Brett liegen die einzelnen Kristalle ein wenig anders, und auf jedem Brett kehren sie darüber hinaus andere Facetten nach oben, so daß sich für den Besitzer eines jeden Brettes, wenn er darauf hinabschaut, ein ganz eigenes, individuelles Bild ergibt.
    So wird aus der Subjektiven Realität die Individuelle Realität.
    Die Linguiden taten nichts anderes, als gewissermaßen in dieses Bild hineinzugreifen und einige dieser Kristalle zu drehen, so daß nun andere, bisher nicht oder nur teilweise sichtbare Facetten an die Oberfläche kamen.
    Indem die Linguiden das taten, veränderten sie das Bild, das ihr „Opfer" sich von der Welt gemacht hatte.
    Da lebende Wesen die Eigenart haben, zu glauben, daß ihr Bild von der Welt die Realität ist, konnte man mit Fug und Recht sagen, daß die Linguiden imstande waren, die Realität zu ändern.
    Und sie benutzten dazu kein anderes Hilfsmittel als das gesprochene Wort.
    Niemand wußte, wie sie das machten - nicht einmal sie selbst schienen sich ihre seltsame Fähigkeit erklären zu können.
    Man wußte jedoch, was es nicht war: Es hatte nicht das Geringste mit irgendwelchen Psi-Kräften zu tun.
    Die einzelnen Begriffe standen auf vielfältige Weise miteinander in Verbindung. Die Verbindungen - oder Assoziationen - stellten sich die Linguiden als dünne Fäden vor, die von Facette zu Facette führten, kreuz und quer über das ganze Bild hinweg, so fest, daß sie den gesamten Verstand zusammenhielten, aber gleichzeitig so locker, daß man die einzelnen Begriffe gewissermaßen unter ihnen wegdrehen konnte, um eine andere Facette nach oben zu holen und somit eine neue Assoziation herzustellen.
    Aber manchmal stimmte dieses Bild nicht.
    Manchmal waren diese Fäden unlösbar an ganz bestimmte Facetten ganz bestimmter Begriffe gebunden, und wenn man die Lage einer dieser Facetten veränderte, zog man alle anderen, die mit ihr in Verbindung standen, hinterher.
    Daraus konnte sich eine regelrechte Kettenreaktion entwickeln, die unkontrollierbar um sich griff und im schlimmsten aller annehmbaren Fälle das gesamte Weltbild der betroffenen Person binnen kürzester Zeit förmlich umkrempelte.
    Wenn man das Weltbild eines Wesens auf so dramatische Weise verwandelte, zerstörte man zwangsläufig den dazugehörigen Verstand, der sich an diesem Bild orientieren mußte und dies plötzlich nicht mehr tun konnte.
    Die Linguiden nannten solche festgelegten Assoziationen „falsche Ketten". Sie fürchteten sie als eine der schlimmsten Gefahren, die ihnen bei ihrer Arbeit begegnen konnten.
    Aramus Shaenor hatte schon oft mit Wesen zu tun gehabt, die man nicht im landläufigen Sinne als „normal" bezeichnen konnte. Ein gemeinsames Merkmal einer bestimmten Kategorie solcher Wesen bestand darin, daß sie in ihrem Verstand eine ungewöhnlich große Zahl von solchen „falschen Ketten" mit sich herumschleppten.
    Das war auch bei den nicht erfaßbaren Monkin so - die man im übrigen durchaus nicht alle als verrückt bezeichnen konnte.
    Aber Liici-Pjee-Nyr schlug in Bezug auf „falsche Ketten" alle Rekorde.
    Der gesamte Verstand dieses Wesens schien ausschließlich aus solchen festgelegten Assoziationen aufgebaut zu sein.
    Und all diese „falschen Ketten" waren so eng miteinander verbunden, verknotet und verstrickt, daß sie auf irgendeine verrückte Art und Weise eine Einheit bildeten, die in sich stabil war - sofern man in diesem Fall überhaupt von Stabilität sprechen konnte. „Wenn ich bei diesem Wesen auch nur eine einzige Facette gerade rücke, werde ich zwangsläufig dieses ganze verzwickte Gebilde, das seinen Verstand darstellt, aus dem Gleichgewicht bringen", sagte Aramus Shaenor zu Dorina Vaccer. „Geh und rede du mit ihm. Vielleicht schaffst du es, daß er sich ein bißchen entkrampft. Es ist immerhin denkbar, daß sich dann doch noch ein loses Ende findet, bei dem du ihn packen kannst."
    Dorina Vaccer kannte Aramus Shaenor gut genug, um zu wissen, daß ihn eine solche Niederlage schmerzte.
    Sie stellte daher keine langen Fragen.
    Schweigend ging sie hinaus, um sich auf ein
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