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155 - Reiseziel: Mars

155 - Reiseziel: Mars

Titel: 155 - Reiseziel: Mars
Autoren: Jo Zybell
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eben.
    Außerdem hatte er dreckige Hände. Aber sonst…?
    Loretto Kang zog sich zurück. Misstrauisch beäugte er dabei den Vogelkäfig, den die Waldleute auf einem ihrer Tische abgestellt hatten. Der bunte Vogel darin kauerte so regungslos und stumm im Spreu am Käfigboden, dass man ihn für unecht oder wenigstens schwer krank halten mochte.
    Der Chefsteward nahm noch Bestellungen einiger anderer Passagiere in seinem Block entgegen und lief dann wieder durch den Mittelgang zum Cockpit. Dort drehte er sich um und sah noch einmal zurück. Die meisten der elf Waldleute, mehr Männer als Frauen übrigens, steckten die Köpfe vor den drei großen Rundfenstern an ihren Tischen zusammen, zeigten auf irgendwelche Gebäude der unter ihnen vorbei gleitenden Stadt und schnatterten in ihrem komischen Dialekt miteinander.
    Nichts Besonderes eigentlich. Viele andere Passagiere taten das auch; nur nicht in dieser ulkigen Sprache.
    Der grob gebaute Bursche allerdings schwieg die meiste Zeit. Beobachtete den bunten Vogel im Käfig und schwieg.
    Komisch, dachte Loretto, als würde er auf etwas warten.
    Der Steward machte kehrt und ging ins Cockpit.
    ***
    Schwarzstein saß neben seinem Lehrer im Gras auf dem Dach des Pyramidenhauses; ziemlich nah am Rand. Aufmerksam beobachtete er die Umgebung. Die über hundert Meter tiefer verlaufenden Straßenzüge, wo Solarwagen und Magnetschweber hin und her glitten; die Terrassen unterhalb des Flachdaches, wo einige der anderen warteten; die Fenster, Transportbänder, Plattformen und Außenliftsäulen an den Haus- und Turmfassaden der Nachbarschaft; und die Spitze des Spindelturms, wo die Führer des Tsuyoshi-Clans residierten.
    Irgendwo dort oben hielt die ehrwürdige Dame Vera Akinora sich jetzt auf. Das jedenfalls hatte Meister Windtänzer gesagt.
    Schwarzstein konnte sich nicht erklären, woher sein Lehrer das wusste.
    Manchmal warf Schwarzstein auch einen Blick auf Aquarius. Jetzt gerade lief der Blauhaarige am Dachrand entlang. Dabei bewegte er sich so langsam und konzentriert, als würde er seine Schritte zählen. Hin und wieder blieb er für lange Zeit stehen, schloss wie sein Meister die Augen, und schnitt eine angestrengte Miene. In solchen Momenten spürte er hinab zu den anderen.
    Und der Meister? Nichts. Windtänzer tat nichts. So jedenfalls sah es aus. Windtänzer saß nur da, hielt die Augen geschlossen und schwieg.
    Die vierte Stunde ging das jetzt schon so: sitzen, beobachten, schreiten, spüren, schweigen. Schwarzstein wusste: Irgendwann würde etwas geschehen. Der schmale Himmelsstreifen zwischen Sonne und Osthorizont schimmerte rötlich.
    Jetzt blieb Aquarius wieder stehen. Am Dachrand, direkt neben Schwarzstein diesmal. Er schloss die Augen, seine Stirn legte sich in Falten. Er stand länger als je zuvor in den vergangenen Stunden. Auch wirkte sein Gesichtsausdruck angestrengter. Seine Brauen runzelten sich, seine langen Nasenflügel bebten, seine Lippen bewegten sich stumm.
    Nach vielen Atemzügen öffnete Aquarius die Augen. »Es ist so weit«, sagte er in Richtung Windtänzer. »Morgenblüte hat aufgehört zu tanzen. Sie brechen auf.«
    Der Meister reagierte nicht, seine Lider blieben geschlossen.
    »Und jetzt?«, fragte Schwarzstein ungeduldig. »Was geschieht jetzt?«
    »Noch nichts«, sagte Windtänzer, ohne die Augen zu öffnen. »Noch müssen wir warten.«
    ***
    Es war ein warmer trockener Abend. Auf der großen Gartenterrasse unterhalb des Präsidialamtes ließ Chandra sich auf eine der Bänke am gläsernen Brüstungswall nieder und gab sich eine Zeitlang dem Anblick des Stadtpanoramas hin.
    Die Wechselkarte hatte zu viel versprochen – oder sie hatte zu viel hinein interpretiert – und die Arbeitskarte traf nicht zu: Diese Aufgabe hier war alles andere als mühsam; von innerem Engagement ganz zu schweigen.
    Chandra war weit davon entfernt, das zu bedauern. Sie sehnte sich an ihrem Arbeitspult zurück. Bald würde ihre Aufgabe erledigt sein, vielleicht schon morgen. Die Präsidentin hatte das angedeutet, als Chandra ihr über PAC Bericht erstattet hatte; kurz nachdem die Eskorte diesen ungehobelten Klotz vom Barbarenplaneten vor der Gründergedenkstätte abgeholt hatte. Fast zwei Stunden waren seither vergangen.
    Jetzt sank die Sonne bereits dem Horizont entgegen. Ihr Licht brach sich in den Fensterfronten der Haustürme.
    Die Vernehmung vor dem Rat dauerte an. Chandra aktivierte ihren PAC. Auf ENT liefen die Abendnachrichten.
    ENT – Elysium News Transmitter
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