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154 - Die Macht der Nosfera

154 - Die Macht der Nosfera

Titel: 154 - Die Macht der Nosfera
Autoren: Bernd Frenz
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ausgeharrt und nach einem Ausweg aus ihrer Misere gesucht.
    Hier war die Entscheidung für das Blutbad gefallen, dessen Spuren überall zu finden waren.
    Vier leblose Gestalten in weißen Kitteln, fein säuberlich vor der rückwärtigen Wand aufgereiht, erhöhten die Opferzahl auf elf. Alle vier – drei Frauen und ein Mann – wiesen schwarz verbrannte Einschüsse im Nacken auf. Den Austrittswunden nach zu urteilen, hatten sie auf dem Boden gekniet, als die Mörder von hinten herangetreten waren und sie mit aufgesetzter Waffe niedergeschossen hatten.
    Das war nicht unbedingt die Handschrift eines unkontrollierten Attentäters. So sah eher eine eiskalte Hinrichtung aus.
    Das Motiv dafür? Angesichts des hier unten von der Notbesatzung produzierten Stoffes kam dafür eigentlich nur eine Sache in Betracht…
    Leonid fühlte eine Welle der Übelkeit durch seinen Körper rollen. Der in ihm aufsteigende Verdacht war so schlimm, dass er ihn nicht einmal zu Ende zu denken wagte. Doch obwohl keiner vom Erkundungstrupp ein Wort sprach, ging allen das Gleiche durch den Kopf.
    Von gemeinsamer Unruhe gepackt, drängen sie zu der Zwischentür, die in die benachbarte Produktionsstätte führte.
    Das unstete Licht der Fackeln und Laternen strich über heruntergebrannte Kerzen, aufgerissene Schachteln und leere Brotdosen. Die letzten Spuren der Todgeweihten blitzten stroboskopartig auf, ohne ins Bewusstsein zu dringen.
    Leonid und die anderen dachten plötzlich nur noch an ihr eigenes Überleben. Selbst Hauptmann Judin konnte nicht mehr an sich halten. Er stürmte als Erster in den Raum, der die Serumsproduktion beherbergte.
    Die Geräte zur Herstellung des Immunstoffes glänzten im einfallenden Licht. Still und unbeweglich standen sie da, all die Aufbereitungsanlagen und Kühlschlangen, die Tag und Nacht ohne Unterbrechung liefen, um genügend Serum für die Bunkergemeinde zu produzieren.
    Normalerweise.
    Jetzt standen sie still. Ohne Strom gab es keine Spezialgeräte, die die Grundstoffe in einem hoch technisierten Verfahren synthetisieren konnten. Ohne Strom galt es mit den bereits produzierten Vorräten auszukommen – oder elendig zu Grunde zu gehen.
    Fassungslos starrte Leonid auf die offenen Kühlschränke im hinteren Raumdrittel. Dort, wo normalerweise Hunderte von Serumsbeuteln lagerten, gähnte ihnen nur noch Leere entgegen.
    »So ein Wahnsinn!«, brüllte Hauptmann Judin hasserfüllt.
    »Diese verdammten Schweine…!«
    Gemeinsam stürzten sie auf die Kühlanlage zu, öffneten jede einzelne Tür mindestens fünfmal und schlugen sie erbost wieder zu. Sie leuchteten jeden kleinsten Winkel aus, nur um am Ende festzustellen, was sie von Anfang an befürchtet hatten.
    Die Diebe hatten ganze Arbeit geleistet. Kein einziger Serumsbeutel war zurückgeblieben.
    Leonid schlug das Herz bis zum Hals. Er konnte nicht anders, er musste sein blaues, mit Kunststoffschalen verstärktes Oberteil öffnen und einen Blick auf den Beutel werfen, der an seinem rechten Brustkorb klebte. Über einen dünnen Plastikschlauch sickerte der weißlich-ölige Inhalt langsam in seinen Blutkreislauf.
    Leonids Beutel war noch zu einem Fünftel gefüllt. Damit kam er gut zwei Wochen hin. Danach standen Krankheit und Tod ins Haus, wenn kein adäquater Ersatz existierte. Ersatz, der sich zurzeit in der Hand von gewissenlosen Elementen befand.
    Ein leises Wimmern schreckte Leonid aus seinen Gedanken.
    Überrascht sah er zu den anderen der Runde, die, seinem Beispiel folgend, ebenfalls den eigenen Serumsstand begutachteten. Für Hauptmann Judin und einen der beiden Fähnriche war es halb so schlimm, sie besaßen noch halbvolle Beutel. Bei dem Vierten im Bunde, Fähnrich Nikolai Isanin, einem strohblondem Kerl Anfang zwanzig, schwappte allerdings nur noch eine kümmerliche Daumenbreite über dem Abflussröhrchen. Schluchzend sah er zu ihnen auf, nackte Verzweiflung im Blick.
    Leonid hätte dem armen Kerl gerne etwas Tröstendes gesagt, nur was? Angesichts des kümmerlichen Serumsrestes stand Isanin bereits mit einem Bein im Grab. Es gab nur eins, was sein Immunsystem vor dem Zusammenbruch bewahren konnte: neues Serum. Ein Gut, das gerade zur kostbarsten Substanz in ganz Ramenki aufgestiegen war.
    Leonid war jedenfalls nichts bereit, seinen Vorrat zu teilen.
    Er würde jeden einzelnen Tropfen verteidigen, notfalls mit der Waffe in der Hand!
    Der junge Fähnrich erschrak selbst über den aggressiven Impuls, der ihn durchfuhr. Ehe er sich deshalb schuldig fühlen
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