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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
Autoren: Karl May
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Padischah beleidigen? Zurück, zurück! Bre bre, he he – zu Hilfe, zu Hilfe!“
    Auf diese mit kreischender Stimme ausgestoßenen Rufe wurde es vor den Türen der Häuser und Hütten lebendig. Männer, Frauen und Kinder eilten heraus und herbei, um nach der Ursache dieses Geschreis zu forschen.
    Ich gab Halef einen Wink, abzulassen, und er gehorchte. Der Nachtwächter mochte zehn bis zwölf kräftige Streiche erhalten haben. Er ließ den Knüttel aus der Rechten fallen, zog den Säbel aus der Scheide und rief, indem er sich mit der Linken den Rücken rieb:
    „Mensch! Was hast du gewagt! Soll ich dich um ein Haupt kürzer machen? Ich werde die ganze Gemeinde gegen dich hetzen und dich von ihr zerreißen lassen!“
    Halef nickte lachend. Er wollte etwas antworten, kam aber nicht dazu, denn ein Mann drängte sich durch das Publikum und wendete sich mit der barschen Frage an mich:
    „Was geht hier vor? Wer seid ihr?“
    Jedenfalls hatte ich den hohen Herrn Ortsvorsteher vor mir, dennoch fragte ich:
    „Wer bist denn du?“
    „Ich bin der Kiaja dieses Dorfes. Wer gibt euch das Recht, euch an meinem Khawassen zu vergreifen?“
    „Sein Verhalten gibt uns das Recht.“
    „Wieso?“
    „Ich forderte Auskunft von ihm, und er verweigerte sie mir. Er verlangt, daß ich ihm eine jede Antwort einzeln bezahle.“
    „Er kann seine Antworten verkaufen, so teuer er nur immer will.“
    „Und ich kann sie bezahlen, so hoch es mir beliebt. Jetzt hat er den Lohn voraus, und nun wird er mir antworten müssen.“
    „Kein Wort!“ rief der Wächter.
    „Kein Wort wird er antworten“, bestätigte der Kiaja. „Ihr habt euch an meinem Diener vergriffen. Folgt mir augenblicklich! Ich werde die Sache untersuchen, und Ihr sollt eure Strafe finden!“
    Da zeigte der kleine Hadschi die Peitsche und fragte:
    „Effendi, soll ich diesen Kiaja von Bu-kiöj diese schöne Haut des Nilpferdes auch zu kosten geben?“
    „Jetzt nicht, vielleicht aber später“, antwortete ich.
    „Was, Hund, mich willst du peitschen lassen?“ schrie der Ortsvorsteher.
    „Vielleicht ja“, antwortete ich ruhig. „Du bist der Kiaja dieses Dorfes; aber weißt du denn, wer und was ich bin?“
    Er antwortete nicht. Meine Frage schien ihm höchst ungelegen zu kommen. Ich fuhr fort:
    „Du hast diesen Mann deinen Khawassen genannt?“
    „Ja, er ist es.“
    „Nein, er ist es nicht. Wo ist er geboren?“
    „Hier.“
    „Ah so! Von wem ist er zu dir abkommandiert worden? Er ist ein Einwohner dieses Ortes, und du hast ihn zu deinem Diener gemacht; aber ein Polizeisoldat ist er nicht. Da, sieh dir einmal diese drei Reiter an, welche die Uniform des Großherrn tragen! Du hast einen Nachtwächter; ich aber habe drei wirkliche Khawassen bei mir. Ahnst du nun, daß ich ein ganz anderer Mann bin, als du?“
    Um meinen Worten mehr Nachdruck zu geben, fuchtelte Halef ihm so vor dem Gesicht herum, daß er aus Angst zurückwich. Auch die hinter ihm stehenden Personen zogen sich zurück. Ich merkte diesen vielen Gesichtern an, daß sie begannen, mich für einen hohen Herrn zu halten.
    „Nun, antworte!“ befahl ich.
    „Herr, sage zuvor, wer du bist!“ bat er.
    Da fuhr Halef ihn an:
    „Mensch! Wurm! Wie kannst du verlangen, daß ein solcher Herr dir sage, wer er ist? Aber ich will dir in Gnaden mitteilen, daß du vor dem hohen und edlen Hadschi Effendi Kara Ben Nemsi Bey stehst, dem Allah noch viele tausend Sommer geben möge, die Winter gar nicht mitgezählt. Ich hoffe, daß du von ihm gehört hast!“
    „Nein, nie!“ beteuerte der eingeschüchterte Mann sehr der Wahrheit gemäß.
    „Was? Nie?“ donnerte der Kleine ihn an. „Soll ich etwa dein Gehirn so lange zusammendrücken lassen, bis der richtige Gedanke hervorgebracht wird. Denke nach!“
    „Ja, ich habe von ihm gehört“, bekannte der Kiaja in heller Angst.
    „Etwa nur einmal?“
    „Nein, sehr viele, viele Male!“
    „Das ist dein Glück, Kiaja! Ich hätte dich gefangen genommen und nach Stambul geschickt, um dich im Bosporus ersäufen zu lassen! Nun aber höre, was dieser erhabene Effendi und Emir dir zu sagen hat!“
    Bei diesen Worten drängte er sein Pferd von dem Bedrohten zurück. Seine Augen blitzten noch immer in scheinbarem Zorn, aber um seine Lippen zuckte es verräterisch. Der brave Hadschi mußte sich alle Mühe geben, um nicht in ein lautes Lachen auszubrechen.
    Aller Lippen hingen jetzt an meinem Mund. Ich sagte zu dem Kiaja in beruhigendem Ton:
    „Ich bin nicht gekommen, euch übles zu
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