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15 Gruselstories

15 Gruselstories

Titel: 15 Gruselstories
Autoren: Robert Bloch
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ein­zu­schla­gen.
    Als er sich bück­te, um die Klei­der­sä­cke auf einen Hau­fen zu le­gen, tanz­te der Licht­strahl der Ta­schen­lam­pe auf tau­send glit­zern­den Ober­flä­chen. Vor sei­nen Au­gen war ein ein­zi­ges Glei­ßen und Fun­keln.
    Auf ein­mal ver­schwand das Fun­keln. Die glän­zen­den Spie­gel ver­dun­kel­ten sich ei­gen­tüm­lich. Aber das war nur na­tür­lich, denn sein Spie­gel­bild füll­te sie aus. Sein Spie­gel­bild – und et­was, was dunk­ler war. Et­was Wol­ki­ges, Ver­schwom­me­nes, Quir­len­des, et­was, was ein Teil der mod­ri­gen Luft war, et­was, was durch sei­ne Ge­gen­wart den Auf­ent­halt in dem Raum un­er­träg­lich wer­den ließ. Es war hin­ter ihm – nein, es war ne­ben ihm – nein, vor ihm – es um­gab ihn von al­len Sei­ten – es wur­de grö­ßer und grö­ßer und lösch­te ihn aus. Es ver­ur­sach­te, daß er zit­ter­te und in Schweiß aus­brach. Es raub­te ihm jetzt den Atem und zwang ihn, aus dem Raum zu stür­zen, die Tür hin­ter sich zu­zu­wer­fen und sich mit letz­ter Kraft er­schöpft da­ge­gen zu leh­nen.
    Es hat­te auch einen Na­men – Platz­angst. Ge­nau das war es.
    Nichts wei­ter als neu­ro­ti­sche Angst­zu­stän­de … Nichts wei­ter als das be­klem­men­de Ge­fühl, in ei­nem en­gen Raum ein­ge­schlos­sen zu sein. Au­ßer­dem wird je­der Mann ner­vös, wenn er zu lan­ge in einen Spie­gel schaut – ge­schwei­ge denn in fünf­zig Spie­gel!
    Er zit­ter­te hef­tig. Nur um sei­ne Ge­dan­ken zu be­schäf­ti­gen, da­mit sie sich nicht mit dem be­fas­sen konn­ten, was er halb ge­se­hen, halb ge­fühlt, halb er­kannt hat­te, dach­te er wei­ter über Spie­gel nach. Über das In-den-Spie­gel-schau­en. Für Frau­en ist es ei­ne Art Lieb­lings­be­schäf­ti­gung; aber Män­ner sind da an­ders.
    Män­ner – wo­bei er sich selbst ein­schloß – schei­nen Spie­geln ge­gen­über ei­ne Be­fan­gen­heit zu ha­ben. Er ent­sann sich an den Schock, den er be­kom­men hat­te, als er sich in ei­nem Be­klei­dungs­haus zum ers­ten­mal in ei­nem je­ner Spie­gel be­trach­tet hat­te, in de­nen man sich von al­len Sei­ten se­hen kann. Ein Mann sieht im Spie­gel ver­än­dert aus. Nicht mehr so, wie er sich ein­bil­det, aus­zu­se­hen. Ein Spie­gel ver­zerrt. Warum sum­men und sin­gen und pfei­fen die Män­ner, wenn sie sich ra­sie­ren? Doch nur, um sich nicht mit ih­rem Spie­gel­bild aus­ein­an­der­set­zen zu müs­sen. Denn sonst könn­ten sie leicht ver­rückt wer­den. Wie war doch der Na­me des Kna­ben aus der grie­chi­schen My­tho­lo­gie, der sich in sein ei­ge­nes Bild ver­liebt hat­te? Nar­zis­sus, rich­tig, Nar­zis­sus, der stun­den­lang in ei­ne Quel­le starr­te, um sein Bild zu se­hen.
    Frau­en hin­wie­der­um kön­nen es. Aus dem ein­fa­chen Grun­de, weil sich Frau­en sel­ber nie wirk­lich se­hen. Sie se­hen einen Wunsch­traum, dem sie mit Lip­pen­stift, Pu­der und Lid­schat­ten nä­her­zu­kom­men ver­su­chen. Aber Frau­en sind so­wie­so et­was ver­rückt. Hat­te sie ihm nicht neu­lich ge­sagt, sie hät­te ihn im Spie­gel ge­se­hen, ob­wohl er gar nicht da war?
    Viel­leicht soll­te er ihr bes­ser nichts er­zäh­len; zu­min­dest nicht, be­vor er mit dem Mak­ler Ha­cker ge­spro­chen hat­te. Denn ei­ne Er­klä­rung woll­te er auf al­le Fäl­le ha­ben. Ir­gend et­was war ir­gend­wie faul. Warum hat­ten die vor­he­ri­gen Mie­ter al­le Spie­gel hier oben auf­be­wahrt?
    Als er jetzt über den Bo­den zu­rück­kehr­te, zwang er sich, lang­sam zu ge­hen und an ir­gend et­was zu den­ken. An ir­gend et­was – nur nicht an die Angst, die er in dem Raum vol­ler Spie­ge­lun­gen emp­fun­den hat­te.
    Spie­ge­lun­gen von et­was. Aber von was? Wer fürch­tet sich vorm bö­sen Wolf? Wer fürch­tet sich vor Spie­ge­lun­gen? Fast ein neu­es Mär­chen, wie?
    Vam­pi­re. Wie wä­re es mit Vam­pi­ren? Aber die ha­ben kei­ne Spie­gel­bil­der. »Sa­gen Sie mir die Wahr­heit, Mr. Ha­cker, wa­ren die Leu­te, die das Haus ge­baut ha­ben, Vam­pi­re?« Rei­zen­de Vor­stel­lung.
    Wirk­lich ei­ne rei­zen­de Vor­stel­lung. So recht ge­schaf­fen für die Däm­me­rung, wenn die Die­len knack­ten, die Fens­ter­lä­den klap­per­ten und sich die Nacht
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