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1472 - Wahnsinn in Manhattan

1472 - Wahnsinn in Manhattan

Titel: 1472 - Wahnsinn in Manhattan
Autoren: Jason Dark
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erwischt.
    Es war nicht nur das Fahren, es ging auch um das Schaukeln. Die Wagen rasten durch die Röhren. Auch wenn die Strecken geradeaus führten, gerieten die Fahrgäste in ein stetiges Hin und Her von Stößen und Rempeln. Da ließ sich Körperkontakt nicht vermeiden.
    Suko stand etwas mehr zum Fenster hin. Er hielt sich an einem Griff fest und hatte die Augen geschlossen, als wollte er das Elend um uns herum nicht sehen.
    Es war stets die gleiche Prozedur. Fahren, anhalten, aussteigen, einsteigen, Türen schließen, sehr schnelle und ruckartige Beschleunigungen Wenn man dann noch an die Gefahr von Anschlägen dachte, war alles vorbei. Dann wollte man nur noch raus aus diesen Käfigen.
    Ich war froh, dass wir an der nächsten Haltestelle aussteigen mussten.
    Auch auf dem dunklen Gesicht des Kollegen schimmerten jetzt die Schweißperlen wie Tautropfen. Der Mann war auch nicht mehr so fröhlich.
    »Na, denken Sie noch an den Dschungel?« fragte ich ihn mit schmalem Grinsen.
    »Ja, aber dort hat man mehr Bewegungsfreiheit.«
    »Das ist wohl so…«
    Und dann passierte etwas, womit wohl keiner von uns gerechnet hatte.
    Eine Vollbremsung oder eine Notbremsung, wie auch immer. Dabei waren wir schon kurz vor der Station.
    Innerhalb einer Sekunde veränderte sich alles in unserem Wagen.
    Da gab es keinen Fahrgast mehr, der noch normal stand. Jeder wurde von den Fliehkräften erfasst, und wie aus großer Distanz vernahm ich das Kreischen der Räder, als sie über die Schienen schleiften. Hätte ich am Fenster gestanden, ich hätte auch die Funken fliegen gesehen.
    Aber ich stand nicht da. Ich lag halb auf dem Boden und zur anderen Hälfte mit dem Oberkörper auf dem Schoß einer dicken Frau, deren Gewicht tatsächlich den Fliehkräften getrotzt hatte, sodass sie noch immer auf ihrem Sitz hockte. Aber schrie zum Gotterbarmen, und ich bekam Angst um mein Trommelfell.
    Welche Geräusche mich noch umgaben, wusste ich nicht. Es war jedenfalls das Chaos, und der Zug stand noch immer nicht. Er rutschte ruckartig weiter über die Schienen.
    Schließlich kam die Wagenschlange zum Stehen. Es gab keine Stille, die Menschen schrien weiter, und dazwischen hörte ich die wildesten Flüche.
    Meine Knochen brauchte ich nicht zu sortieren. Mir war zum Glück nicht viel passiert. Mir taten nur die Kniescheiben weh, weil ich irgendwie falsch aufgekommen war. Am Kopf hatte mich nichts erwischt, aber anderen Fahrgästen ging es schlechter. Sie waren quer durch den Wagen geschleudert worden. Es gab Menschen, die sich verletzt hatten. Ihr Stöhnen war nicht zu überhören.
    Als mir ein schräger Blick durch eines der Fenster gelang, stellte ich fest, dass die Zugmaschine bereits den Tunnel verlassen hatte und in der Station stand.
    Jemand brüllte, dass es wieder ein Anschlag war, und geriet dabei in helle Panik.
    Endlich öffneten sich die Türen.
    Wer konnte, der stürmte nach draußen.
    Polizisten eilten herbei. Ich sah Suko ganz woanders. Er hielt seinen Kopf in Höhe des linken Ohrs, aber er war in der Lage, auszusteigen, und stand sogar noch vor mir auf dem Bahnsteig, denn bis dahin war auch der erste Wagen gekommen.
    Ich wurde ins Freie geschoben. Ich hörte die gellenden Pfiffe und sah zu, dass ich von den aussteigenden Menschen wegkam.
    Da mir so gut wie nichts passiert war, konnte ich es mir leisten, über den Grund der Vollbremsung nachzudenken. Wenn so etwas eintrat, dann musste es einen Grund dafür gegeben haben, und der musste mit den Schienen zusammenhängen.
    Ich sah kein Hindernis.
    Es kommt leider immer wieder vor, dass sich jemand auf die Schienen wirft. Aber auch das war hier nicht geschehen. Da lag kein Körper, der den Fahrer zu einer Notbremsung veranlasst haben könnte.
    Ich war so ziemlich von der Rolle, als ich zu Suko hinging, der an der Wand lehnte und den ersten Sanitätern nachschaute, die angerannt kamen.
    »Was macht dein Kopf?«
    »Der ist noch dran.«
    »Das sehe ich.«
    »Ich bin nur gegen eine Stange geknallt, aber das lässt sich locker verkraften.«
    »Bei dir immer.«
    »Und was hast du abbekommen?«
    »Ich bin weich gefallen.« Danach erzählte ich Suko, wo ich gelandet war.
    Daraufhin mussten wir beide lachen. Aber wir waren wohl die einzigen Menschen, die das taten, und wir hörten auch sehr bald damit auf. Dafür sprach Suko das aus, woran ich schon die ganze Zeit über gedacht hatte.
    »Wieso hat der Fahrer gebremst?«
    »Keine Ahnung. Auf den Schienen liegt nichts im Weg.«
    »Du sagst es, John.«
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