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145 - Die Suche nach Aiko

145 - Die Suche nach Aiko

Titel: 145 - Die Suche nach Aiko
Autoren: Michael M. Thurner
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Oberschenkel hatte sich zu einem Pochen gewandelt, das nichts anderes mehr tat, als Schmerzen an ihr Gehirn auszustrahlen. Ein jeder Schritt, durch ein schmales Kerbtal bergan, an einem reißenden Bach entlang, tat Lynne Crow weh.
    Aber was war der Schmerz im Vergleich zu der Furcht vor der Rache der Daa’muren?
    Waren die Echsendinger nun hinter ihr her oder nicht? Es war müßig, darüber nachzudenken. Denn auf etwaige Verfolger zu warten, stand außer Diskussion. Sie musste eine größere Distanz zwischen sich und das Labor am Kratersee bringen.
    Also verbiss sich Lynne jeden Schmerzenslaut, marschierte weiter, belastete hauptsächlich den rechten, künstlichen Oberschenkel.
    Sie kicherte. Was wäre denn, wenn sie einbeinig hüpfen würde?
    Lynne lachte und weinte zugleich über dem Gedanken.
    Und erschrak im nächsten Moment.
    Waren diese… unsinnigen Überlegungen nur auf den Schock zurückzuführen? War sie von der Situation überfordert? Verlor sie, das Biest, das jedermann als eiskalt und berechnend bezeichnete, erneut die Kontrolle über ihren Geist?
    Sie hielt an, schöpfte Wasser aus dem Bach, spritzte es sich ins Gesicht und schüttelte sich.
    Sie musste den Tatsachen in die Augen schauen: Der Aufenthalt am Kratersee hatte etwas in ihr bewirkt, das nicht so leicht zu verdrängen war. Lynne Crow war nicht mehr die Frau, die sie einmal gewesen war. Und sie würde sie nie wieder sein.
    Geister griffen nach ihr, immer wieder. Schimären verstorbener Wegbegleiter, sich stetig wandelnde Daa’muren, Liebhaber, die sie hatte hinrichten lassen…
    Es gab eine Lösung für all ihre Probleme. Eine ganz saubere. Ein drastischer Schnitt, und sie hätte für immer Ruhe vor den Gespenstern, die sie verfolgten.
    Nein!
    Eine Crow gab nicht so einfach auf. So wie ihr Vater immer eine Lösung für seine Probleme fand, so würde auch sie sich aus dem Schlamassel ziehen. Letztendlich war das Leben und Überleben in dieser widerlichen postapokalyptischen Welt eine reine Willenssache.
    Und Willenskraft war etwas, das sie den meisten Menschen ihrer Zeit voraus hatte.
    Sie riss an dem Ast einer mehr als drei Meter hohen Haselnussstaude, bis er knackend nachgab, befreite ihn vom Blattwerk, kürzte ihn mit einem scharfkantigen Stein auf die richtige Länge zurecht und setzte ihren Weg mit Hilfe des behelfsmäßigen Stocks fort.
    Eins, zwei. Eins, zwei. Immer weiter.
    ***
    Eins, zwei. Eins, zwei. Immer weiter.
    Der notdürftig angebrachte Verband um seinen Unterschenkel hatte sich längst wieder blutrot gefärbt. Die Spur, die Matt im Unterholz hinterließ, würde selbst ein Blinder mit Krückstock aufnehmen können.
    Außer ein wenig Verbandszeug, den widerlich schmeckenden Notrationen und Aikos Interface-Dorn trug er nichts mehr bei sich.
    Aiko… Über das Schicksal des Cyborgs hatten sie letztendlich so gut wie nichts herausgefunden.
    »Wirklich toll, Matt!«, murmelte er, schüttelte sachte den schmerzenden Kopf und stiefelte weiter bergan. »Das hast du sauber hingekriegt.«
    Nach etwa einer Stunde rastete er erstmals. Von einem kleinen Plateau blickte er hinab auf den Kratersee, der einmal mehr von einer dicken Nebelsuppe eingehüllt war. Das Wetter schlug nach wie vor Kapriolen, wie schon seit ihrer Ankunft hier.
    Aus der Nebelsuppe schälten sich wenige hundert Meter unterhalb seines Standorts mehrere Schemen. Daa’muren, kein Zweifel. Auf breiter Front suchten sie den Berg nach ihm ab.
    Mit sturen Schritten, sich immer wieder nach links und rechts drehend, marschierten sie voran.
    Wie hatten sie ihn so schnell lokalisieren können? Ihre Kommunikation untereinander sollte doch vom Telepathenzirkel gestört sein!
    Oder suchten sie gar nicht nach ihm, sondern… nach Aiko?
    Aber nein, das wäre nun doch ein zu großer Zufall gewesen, so weit von der Absturzstelle des falschen Rochen entfernt.
    Matt begutachtete hastig die Wunde an seinem Unterschenkel, legte ein neues Druckpflaster an und knotete den Verband erneut zu.
    Dann musste er weiter. Bergauf und bergab, darauf hoffend, dass die Daa’muren irgendwann aufgeben würden – oder Aruula ihn fand. Wenngleich er keine Vorstellung davon hatte, wie sie das anstellen wollte. Sicher, sie konnte nach ihm lauschen. Und würde damit die Daa’muren erst recht anlocken.
    Nein, die Lage war alles andere als rosig. Und nur das Wissen darum, dass er auch schon in noch beschisseneren Situationen überlebt hatte, hielt Matts Moral aufrecht.
    Er wandte sich westwärts und achtete
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