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141 - Das trockene Meer

141 - Das trockene Meer

Titel: 141 - Das trockene Meer
Autoren: Ronald M. Hahn
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fürchte, dass ich meine Freunde nicht überreden kann, aufgrund eines vagen Versprechens ihren Hals zu riskieren.«
    Ygoor verbiss sich einen Fluch. Was sollte er machen? Er war Bürokrat, kein Haudegen. Um sich durch die Wildnis zu schlagen, brauchte er beinharte und verlässliche Komplizen, die alle Drecksarbeit machten. Er gruselte sich schon bei dem Gedanken, jemandem eine Messerklinge an die Kehle zu setzen, und wenn sein Plan zur Ausführung kam, musste die Söldnerin Urla sterben…
    »Such dir ein paar andere Irre.« Wadim nickte Ygoor zu und schritt zur Tür, an der Ooleg nun ungeduldig winkte. »Wir füllen jetzt erst mal unsere Börse!«
    ***
    Der blonde Hüne mit dem Umhang und den maßgeschneiderten Stiefeln, der die
    Wanja
    über den Laufsteg verließ, gefiel Urla auf den ersten Blick.
    Seine kraftvollen Bewegungen und die Konzentration, mit der er den Hafen und seine Bewohner in Augenschein nahm, wirkten so männlich, dass Urla sich mit einem sehnsüchtigen Seufzer an die Nacht erinnerte, in der sie das letzte Mal das Lager mit einem Kerl geteilt hatte. Bei Wudan, es ist lange her…
    Sie stand am Kai, umgeben von mannshoch gestapelten Kisten und Fässern, die darauf warteten, dass man sie in den Laderaum eines Schiffes verlud, und schaute dem Hünen zu, der außer einer mittelgroßen Reisetasche kein Gepäck bei sich hatte. Der Wind bauschte seinen Umhang, der vorn aufklaffte und Urla einen Blick auf zwei kleine metallene Gegenstände erlaubte, die an seinem Ledergürtel hingen. Auch erspähte sie eine Pistool, die sich in gewissen Gegenden schon anschickte, Schwert und Säbel zu verdrängen.
    Der Besitz einer Schusswaffe sagte ihr, dass der Mann wichtig, vielleicht sogar eine hochgestellte Persönlichkeit war: Normale Werktätige konnten sich solche Waffen nicht leisten.
    Wer war er? Ein Kaufmann aus dem Westen? Der Kurier eines Fürsten? Von der Statur her sah er eigentlich eher aus wie ein Offizier…
    Als der Hüne an den Kisten und Fässern vorbei ging, verschwand er aus Urlas Blickfeld, und sie setzte sich fast automatisch in Bewegung, um ihm zu folgen. Den Auftrag der Gnädigen – sich beim Kapitän des Flussdampfers zu melden – hatte sie angesichts des Fremden völlig vergessen.
    Urla hatte gerade drei Schritte gemacht, als sie eine heisere Männerstimme knurren hörte: »Also los, Stadtfrack! Stell die Tasche ab und zück deine Börse, sonst schlitzen wir dich auf und werfen dich zu den Fischen!«
    Urla zuckte zusammen. Ihr Schritt wurde schneller. Ihre Rechte zuckte instinktiv zum Säbel. Als sie ihn halb aus der Scheide gezogen hatte, vernahm sie ein Klatschen und ein schmerzhaftes Stöhnen. Dann wurden wütende Schreie laut.
    Als sie um die Kisten bog, bot sich ihr ein Bild, mit dem sie fast schon gerechnet hatte: Der Fremdling stand, eine lange Schwertklinge in der Rechten, breitbeinig zwischen zwei Bauholzstapeln. Vor ihm lag eine maskierte Gestalt auf dem Boden und fasste sich stöhnend ans Kinn. Die Tasche stand neben dem Hünen, und drei Hafenratten, die ihre Visagen mit Halstüchern tarnten, stierten ihn fassungslos an.
    Dann gab der Größte der Räuber seinen Komplizen ein Zeichen und sie warfen sich mit sausenden Klingen auf ihr Gegenüber.
    Funken stoben, als das Schwert des Anführers gegen die Waffe des Hünen krachte. Der parierte den Hieb mühelos.
    Zugleich zuckte sein linkes Bein hoch, und die Spitze des Stiefels traf das Kinn des zweiten Räubers, der röhrend nach hinten flog und den noch sitzenden Mann erneut niederschlug.
    Das Halstuch der vierten Hafenratte löste sich. Urla erkannte die narbige Visage eines gewissen Ooleg, der nun Anstalten machte, sich von hinten an den Fremdling heranzupirschen.
    Doch dieser hatte offenbar auch am Hinterkopf Augen: Er vollführte eine halbe Drehung, seine Klinge surrte durch die Abendluft und zerfetzte Oolegs Taratzenfelljacke. Der wich mit einem überraschten Schrei zurück. Erst jetzt bemerkte er, dass sein Gesicht zu sehen war, denn er griff fahrig nach dem Halstuch, um es wieder vor den Mund zu ziehen.
    Der Hüne nutzte die Gelegenheit, ihm mit der Linken einen Schlag auf die Nase zu versetzen, der ihn zurücktaumeln ließ.
    Inzwischen hatten sich die beiden Gestürzten aufgerappelt und stürmten mit wütendem Knurren auf den Fremdling zu.
    Stahl klirrte auf Stahl. Der Hüne huschte am Rand der Kaimauer dahin. Seine Klinge zischte so flink umher, dass Urla Mühe hatte, ihren Kurs zu verfolgen. Sekunden später hatte er einen
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