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137 - Fluch der Seelenwanderer

137 - Fluch der Seelenwanderer

Titel: 137 - Fluch der Seelenwanderer
Autoren: Larry Brent
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den Fingern hielt. »Als er keinen Ausweg mehr sah, hat er
auf diesen Talisman vertraut. In der Hoffnung beschützt zu werden. Dies ist ein
Irrtum. Diese Statue hier kann niemals Glück, sondern immer nur Unglück bringen !«
    Der junge Europäer, der geschossen und die
Kapsel aus dem Jackett des Toten gefischt hatte, tauchte mit einem schnellen
Schritt neben dem leise sprechenden Chinesen auf. »Wir haben, was wir wollten,
er interessiert mich nicht«, zischte der dunkelblonde Mann. »Wenn dir das Ding
Spaß macht, dann nimm’s einfach mit. Wir müssen jetzt von hier verschwinden. Da
kommt der Wagen ...«
    Vom Ende der Straße näherte sich in rascher
Fahrt ein unbeleuchtetes Fahrzeug.
    Der Chinese und der Europäer liefen darauf
zu. Der Fahrer setzte die Geschwindigkeit herab, und die beiden Hintertüren
wurden aufgestoßen.
    »Dieses Ding da - behalten ?« Der Chinese, der die bronzene Statue gefunden hatte, wirkte erschrocken.
»Dinge, die Unglück bringen, hebt man nicht zu Hause auf, und man trägt sie
auch nicht mit sich herum. Das ist ein Unglücksbringer! Das ist eine
Nachbildung von Wang, dem Totengott. Wang ist körper- und gestaltlos. Von einem
Körperlosen soll man nicht versuchen, sich ein Abbild zu machen...«
    Mit diesen Worten schleuderte der Chinese in
hohem Bogen die Statue auf die Straße zurück, aus der sie gekommen waren.
    Der Wagen war nahe genug heran, und die
beiden Männer sprangen in das noch rollende Fahrzeug, das sofort wieder Geschwindigkeit
aufnahm, noch ehe sie die Türen hinter sich zugezogen hatten.
    Der Wagen verschwand um die nächste
Straßenecke noch ehe jemand aus den naheliegenden Häusern auf die Idee kam,
nachzusehen, was hier für ein Lärm gewesen und was geschehen war...
    Im Staub zurück blieb die verkrampft liegende
Leiche Henry Quains und rund dreißig Meter von ihm entfernt die kleine,
massivbronzene Statue des körperlosen Totengottes Wang...
    Es war der 15. Mai 1948.
     
    *
     
    Sie waren zu dritt.
    Einmal wöchentlich trafen sich die drei alten
Frauen abwechselnd in ihren Wohnungen zu Kaffee und Kuchen.
    Das war schon seit Jahren so und reichte
zurück bis in die Tage, als ihre Männer noch lebten.
    Das heutige Treffen fand in der Wohnung von
Dorothea Witulla statt. Dorothea Witulla war eine zartgliedrige, feine Frau mit
silbergrauem Haar und grünen Augen. Sie war eine lebhafte Person, die gern
erzählte und von der Vergangenheit sprach, von ihren Erlebnissen im Krieg, auf
der Flucht, in den Heimen und Krankenhäusern, in denen sie als ausgebildete
Krankenschwester den Großteil ihres Lebens verbracht hatte.
    Die Frau war schon früh Witwe geworden, und
ihr einziger Sohn war nach einer schweren Diphtherieerkrankung im Alter von
fünf Jahren gestorben.
    Das Leben hatte das Gesicht dieser Frau gezeichnet.
Man konnte darin lesen wie in einer Landkarte.
    Ihr Gesicht war zerfurcht, und das machte sie
älter als sie eigentlich war. Sie war schlank, beinahe hager und hatte etwas
Knochiges an sich.
    Ihre Freundinnen, Anna Wenger und Franziska
Gauer, waren genau das Gegenteil.
    Beide waren wohlgenährt, rundlich und wirkten
zufrieden. Sie erzählten auch nur wenig. Das überließen sie meistens Dorothea
Witulla.
    »Dein Kuchen schmeckt heute wieder
ausgezeichnet«, bemerkte Anna Wenger anerkennend. »Das muß man dir lassen, da
hast du etwas los. Wieder ein neues Rezept, meine Liebe. Ich muß doch mal
anfangen, deine Backrezepte zu kopieren .«
    Die ehemalige Krankenschwester lachte leise.
»Das hast du schon mehr als einmal gesagt, aber du hast es bisher nie
wahrgemacht .«
    »Unsere liebe Anna ist halt ständig auf
Achse«, schaltete Franziska Gauer sich ein. Die Arztwitwe trug bei ihrem vollen
Gesicht das Haar kurzgeschnitten und wirkte burschikos. »Wenn ich unterwegs bin
- sei es in der Metzgerei, beim Bäcker, im Supermarkt, mache ich einen
Spaziergang durch den Park - was denkst du, Doro, wen ich da treffe? «
    Die Gefragte lachte fröhlich. »Wohl niemand
anders als Anna. Du hast’s ja eben schon angedeutet. Aber ich muß mich da
fragen, wer von euch beiden mehr unterwegs ist: du oder sie ...«
    Mit diesen Worten teilte sie das letzte Stück
Kuchen aus. »Daß der euch schmeckt, habe ich genau gewußt. Und deshalb hab ich
mich auch ganz darauf eingerichtet. Ihr werdet’s nicht glauben: aber einen
solch prächtigen Burschen habe ich draußen nochmals in der Küche stehen .«
    Anna Wenger klatschte in die Hände. Franziska
Gauer verdrehte die Augen und schüttelte
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