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136 - Im Schloss der Daa'muren

136 - Im Schloss der Daa'muren

Titel: 136 - Im Schloss der Daa'muren
Autoren: Stephanie Seidel
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er hielt die Kälte fern.
    Wenigstens in der Mitte. Ann verzog das Gesicht. Am Kopf und an den Füßen war es immer eisig! Da nützte es auch nichts, sich an Jana zu kuscheln – im Gegenteil: Sie quiekte jedes Mal und trat nach einem, wenn man mit seinen kalten Zehen an ihre Beine kam.
    A-uuuu scholl es aus dunkler Ferne, und Anns Kopf ruckte herum. Aber außer milchigen Schleiern und vereinzelten Sternen dazwischen war draußen nichts zu sehen.
    Unten in der Küche begann Boogan zu schnarchen. Ann drückte ihre Hand vor den Mund und lachte leise in sich hinein.
    Es waren so komische Geräusche! Sie wehten die gewundene Steintreppe herauf und quer durch den kalten dunklen Raum, bis an das Fenstersims, auf dem Ann saß. Boogan grunzte und ratzte. Manchmal pupste er auch noch dazu! Irgendwann würde Mamm Kalina ihm kräftig in die Rippen boxen, wie jede Nacht, und dann war wieder Ruhe.
    Auch das unheimliche Wolfsgeheul war inzwischen verstummt, und Ann ärgerte sich, dass sie – wieder einmal – ihre Flucht verschoben hatte. Schön, wenn man genau darüber nachdachte, dann war es ziemlich weit bis Beelinn. Aber man brauchte ja nicht genau darüber nachzudenken! Ann wollte auf keinen Fall hier bleiben, bei diesen Leuten in der kaputten Burg!
    Obwohl hier nicht alles düster und fies war. Ann nickte versonnen. Jennymom hatte ständig gewollt, dass man sich die Hände wusch, selbst wenn man gar keine Zeit dazu hatte. Vor dem Essen zum Beispiel. Oder wenn man mitten im Spiel war und nur mal kurz aufs Klo musste. Das brauchte man hier nie.
    Und eine Freundin wie Jana gab es in Beelinn auch nicht.
    Deshalb musste sie ja auch mit. Am Anfang war es nicht leicht gewesen, Jana zu verstehen, denn in den Kapaatji redeten sie ganz anders als in Beelinn. Kratzig irgendwie, und mit viel Gezischel. Aber Jana hatte ihrer neuen Freundin alles genau erklärt.
    Manche Worte konnte Ann nicht aussprechen – so wie bunä diemieneatza. Doch das machte nichts. Wenn Jana bunä diemieneatza! sagte, sagte Ann einfach Guten Morgen!, das war dasselbe.
    Nachtwind sprang auf, der Ann erschauern ließ. Ihre Finger waren klamm, und sie fror unter der kratzigen Decke. Aber sie konnte ihren Platz nicht verlassen.
    Es hätte ja sein können, dass Dad gerade jetzt hier ankam!
    Er war bestimmt müde nach der langen, langen Suche nach seiner Anniemouse, und wenn dann keiner da war, der ihm die Tür aufmachte, dann wäre er vielleicht traurig und würde denken, dass man gar nicht wirklich auf ihn gewartet hätte!
    Ann schlang die Arme um ihre Knie und wiegte sich auf der Fensterbank. Er kommt ganz bestimmt!, dachte sie.
    Draußen in den dunklen Bäumen fingen Kawietzer an zu rufen, ganz in der Nähe, und als Ann nach den Waldkäuzen Ausschau hielt, bemerkte sie, dass der Nebel fort war.
    Unzählige Sterne glitzerten am Himmel. Aber wenn man nach rechts guckte, die riesigen Tannen hinauf, sah man noch ein anderes Licht. Es war nicht so kalt wie Sternenlicht, mehr orangefarben, und es schimmerte an einem der Bäume, der genau vor dem Südturm stand.
    Manchmal zog ein Schatten durch dieses Licht, von einer Seite zur anderen. Als würde jemand an einem beleuchteten Fenster vorbei gehen. Aber wer? Wer wohnte da oben im Südturm? Waren es wirklich nur die beiden Schergen? Ann zupfte nachdenklich an ihrem Ohr. Nein, das konnte überhaupt nicht sein! Erstens konnten sie niemals so viel Essen essen, wie Mamm Kalina täglich kochte. Und zweitens bewachten sie da oben eine Tür. Das wusste Ann von Jana, die ihren Bruder Nicu befragt hatte.
    Man konnte also davon ausgehen, dass es im Südturm ganz sicher ein Geheimnis gab. Vielleicht versteckten sie dort einen Schatz! Oder sogar ein Ungeheuer? Ann schüttelte den Kopf.
    Bulldogg, der einäugige Oberst der Beelinner Palastgarde, hatte ihr mal von einem Seeungeheuer erzählt, das eine ganze Schiffsmannschaft gefressen hatte. Aber für so was würde Mamm Kalina bestimmt nicht auch noch Essen kochen!
    Nein, Ann war sich sicher: Da oben im Südturm wohnte jemand. Und weil man ihn nie zu sehen bekam, musste es ein Gefangener sein. So wie Ann.
    Ich werde ihn befreien, dachte sie. Gleich morgen. Und wenn Dad kommt, um mich zu retten, dann nehmen wir ihn einfach mit! Das macht Dad bestimmt! Schließlich ist er ein Held!
    Ann hob den Kopf. Sterne spiegelten sich in ihren großen Kinderaugen, und ihr Blick wanderte davon – in eine Ferne, die weit hinter allem Sichtbaren lag. Hell war es da, und warm. Es gab eine Schaukel und
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