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136 - Im Schloss der Daa'muren

136 - Im Schloss der Daa'muren

Titel: 136 - Im Schloss der Daa'muren
Autoren: Stephanie Seidel
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Mamm Kalina. Nur vor Boogan hatten sie Respekt.
    Aber das war auch nicht weiter verwunderlich, fand Ann.
    Boogan war ein Karpatenjäger; groß und wuchtig und furchtbar stark. Er war Janas Vater, und er konnte eine ganze Wisaau hochheben, als wäre sie aus Papier! Wenn er abends nach Hause kam, hörte man seine schweren Schritte schon, bevor man ihn sah. Ann mochte ihn nicht. Er hatte einen dunklen Zottelbart, und da waren immer Essensreste drin.
    Arpad bekam auch schon einen Bart. Er sah ein bisschen aus wie Tilmo. Arpad war Janas großer Bruder. Er war ziemlich alt, schon fünfzehn Jahre, und er behandelte seine Schwester, als wäre sie Luft. Nur wenn er etwas zu Essen haben wollte oder die ledernen Schnürriemen seiner Stiefel nicht aufbekam, dann erinnerte er sich an Jana. Sie und Ann mussten dann seine Diener sein, und sie konnten nie schnell genug für ihn springen.
    Ann seufzte. Sie hatte sich einmal über Arpad beschwert – und das würde sie nie wieder tun! Boogan hatte losgebrüllt, dass die Wände wackelten! Ann hatte kaum ein Wort verstanden, aber das war auch nicht nötig gewesen, denn die Botschaft seiner drohend erhobenen Hand verstand man ohne Worte.
    Einzig Nicu war nett. Er war ebenfalls Janas großer Bruder, aber erst zwölf. Nicu sah genau so aus wie Boogan und Arpad, nur kleiner und ohne Bart. Er brachte den Mädchen manchmal etwas mit, wenn er abends aus den Wäldern kam. Beeren und Nüsse oder eine besonders schöne Feder.
    »Wir könnten Nicu mitnehmen, wenn wir nach Beelinn gehen«, sagte Ann nachdenklich.
    Jana tippte sich an die Stirn und lachte. »Das glaubst du wohl! Erstens ist er blöd, und zweitens: Wenn du ihm sagst, dass wir fliehen wollen, verpetzt er uns an Mamm. Die sagt es meinem Vater und der sperrt uns ins Verlies.«
    »Wohin?« Ann runzelte die Stirn. Jana nahm den leeren Holzzuber auf, Ann ergriff ihn an der anderen Seite, und gemeinsam trugen sie ihn aus dem Stall.
    »Ins Verlies«, wiederholte Jana, während sie schwungvoll gegen die Tür trat, um sie zu schließen. »Das ist im Keller.«
    »Warst du da schon mal?«
    »Nö.« Jana schüttelte den Kopf. »Mein Vater hat Nicu da schon öfter eingesperrt. Es ist ganz tief unter der Burg! Da gehe ich nicht hin. Es ist zu unheimlich! Aber Nicu hat keine Angst. Er war auch schon im Südturm.«
    Ann blieb stehen; so abrupt, dass Jana ihr beim Weitergehen fast den Zuber aus der Hand riss. Südturm war ein Zauberwort!
    Es klang nach Geheimnis, nach Abenteuer und nach einem Ort, den man unbedingt erforschen musste!
    Matt Drax’ kleine Tochter ließ den Eimer los und rannte ein paar Schritte von der Burg weg, um nach oben zu blicken. Es war eine verschachtelte Anlage mit Erkern, Türmchen und Zinnen, und sie sah aus, als hätte jemand mit riesigen Geschossen auf sie gezielt. Dabei war es nur die Zeit gewesen, die den Stein hatte bröckeln lassen. Manche Mauern waren eingestürzt, in anderen klafften breite Risse. Die meisten Fenster hatten ihre ursprüngliche Form verloren und durchbrachen die Wände als gezackte schwarze Löcher. Ann hatte die Burg ohne Namen nach ihnen benannt: Löcherburg.
    Durch alle Gänge im Inneren heulte der Wind, und es gab nur noch ein einziges Dach.
    Auf dem Südturm.
    Er befand sich links vom Eingang. Ann sah flüchtig hinunter. Der Eingang, das war ein kleiner Doppelturm mit rund gemauertem Durchgang dazwischen. Auf der einen Seite wohnte Ann, auf der anderen die Schafe.
    Aber wer wohnte im Südturm?
    Boogan und Arpad, das wusste Ann, brachten dort abends immer Essen hin. Und zwar eine ziemliche Menge! Einmal hatte Ann gefragt, ob das etwa alles für die beiden Schergen war. Boogan hatte sie angebrüllt, sie solle sich nicht darum kümmern; der Turm ginge sie überhaupt nichts an, und sie dürfe auf keinen Fall dort hingehen.
    Seitdem war Südturm ein Zauberwort.
    »He! Was trödelt ihr da draußen herum?«, rief Mamm Kalina von der Tür her. »Es wird schon dunkel! Also kommt endlich rein, sonst holen euch noch die Lupas!«
    Wie auf ein Stichwort setzte irgendwo in der Abenddämmerung lautes Geheul ein. Es klang wie A-uuuu, und es kam aus tiefen Kehlen.
    Ann hatte mal einen Lupa gesehen – vom Wagen aus, als sie noch mit Tubal auf der Reise war. Sie kannte solche Tiere aus Erzählungen, und manchmal waren sogar welche vor den Mauern Beelinns gewesen. Aber was hier herumlief, in diesen Wäldern, hatte mit den Lupas in Anns Heimat nichts zu tun. Es waren große schwarze Karpatenwölfe – stark und wild
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