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1350 - Im Wald der toten Gesichter

1350 - Im Wald der toten Gesichter

Titel: 1350 - Im Wald der toten Gesichter
Autoren: Jason Dark
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zustimmen. Er hatte sie ja aus der Nähe gesehen und hatte sogar mit seinen Fingern die Umrisse nachgezeichnet. Sie waren in das Holz des Stamms hineingeschnitzt worden, mehr nicht. Da war nichts Lebendiges dabei gewesen, und das wiederum hatte ihn damals beruhigt.
    Doch jetzt?
    Er wusste es nicht. Phil Truman stand vor einem Rätsel. Er traute sich auch nicht näher heran und hatte sich entschlossen, den nächsten Tag abzuwarten. Wenn es hell war, würde er wieder in den Wald gehen und sich alles genau anschauen.
    Phil Truman drehte sich um. Er schaltete dabei die Lampe aus, ließ sie wieder verschwinden, schaute nach vorn – und hatte das Gefühl, zu Eis zu werden.
    Vor ihm stand jemand!
    ***
    Es war ein Schock. Mit dieser Entwicklung hatte er beim besten Willen nicht gerechnet.
    Der andere starrte ihn an!
    Es war ein Fremder. Zumindest kam Phil Truman zunächst dieser Gedanke. Dann jedoch überfiel ihn die Erkenntnis, dass diese Gestalt doch nicht so fremd war.
    Er kannte den Mann – es war Korbinian, der deutsche Schnitzer!
    Noch immer wusste er nicht, was er denken sollte. Der Mensch war da, das stand fest, aber er stand einfach nur da, blickte nach vorn und sagte kein Wort.
    Der Körper war von einem langen Mantel bedeckt, der sich zu den Knöcheln hin verbreiterte und so eine etwas glockenförmige Form bekam. Korbinian hatte ihn bis zu seinem Hals geschlossen und trotzdem noch einen Schal unter das Kinn gewickelt.
    Er sagte nichts. Sein Gesicht sah so blass aus, als hätte der Schnitzer seinen eigenen Geist geschickt.
    Schlucken und richtig Luft holen, dachte Phil Truman. Ganz locker bleiben und so tun, als wäre nichts gewesen.
    Phil Truman schaffte es sogar, seinen Arm zu heben und sagte mit lockerer Stimme: »Hi…«
    Korbinian nickte nur.
    Darauf produzierte Phil ein unechtes Lachen. Er bewegte verlegen seine Arme und meinte: »Wissen Sie, ich… äh … ich wollte eigentlich nach Hause. Habe mir einen getrunken und die Abkürzung genommen. Ist ja nicht schlecht hier im Wald entlang.«
    Er zuckte jetzt mit den Schultern. »Tja, und dann musste ich mal. Ist ja menschlich. Ich wollte mir gerade einen Baum aussuchen, da sind Sie…«
    Korbinian unterbrach ihn: »Ich kenne dich!«
    Er duzte jeden. So war die Ansprache für Phil Truman nicht neu.
    »Ha, ha, kann schon sein…«
    »Aber du bist nicht aus dem Ort.«
    »Nein, ich lebe eigentlich woanders. Aber hier gefällt es mir. Deshalb wollte ich noch ein paar Tage bleiben. Das heißt… also … nachdem ich zu Hause war.«
    »Schon gut.«
    »Tja, dann werde ich jetzt verschwinden.« Er lachte wieder falsch. »Pinkeln kann ich woanders.«
    »Stimmt, du wirst verschwinden.«
    Phil achtete bewusst nicht auf den Unterton, obwohl sein Herz wieder kräftig schlug.
    »Also dann…«
    »Aber für immer!«
    Die letzten Worte waren zischend und zugleich hart ausgesprochen worden. Phil empfand sie wie einen Schlag, und er zuckte sogar zusammen. Die mühsam aufgebaute Sicherheit verschwand, und in ihm stiegen Angst und Unsicherheit hoch.
    Trotzdem versuchte er, lässig zu sein. »War ein Scherz, denke ich mir. Auch nicht schlecht.«
    »Du irrst dich!«
    Phil Truman sah ein, dass es ernst wurde. Dieser Hundesohn verstand keinen Spaß und war bereit, über Leichen zu gehen. Dass es seine sein sollte, störte ihn besonders.
    Fieberhaft suchte er einen Ausweg. Er war jünger als der Schnitzer. Er würde schneller laufen können – hoffte er jedenfalls.
    Auch wenn er keinen Menschen sah, befand er sich nicht in einer Einöde. Es war nicht mal weit bis zu den ersten bewohnten Häusern. Dort würde er sicherlich Hilfe finden.
    Korbinian hob die Arme. Welchen Zweck die Geste hatte, wusste wohl nur er. Aber Phil Truman fasste sie als sein Startsignal auf. Er sagte nichts mehr, drehte sich herum und lief los.
    Es war ja so simpel. Die paar Schritte bis zum Unterholz, es zu überspringen, dann war die Bahn frei. Und auf sein Fahrrad konnte er gut verzichten.
    Er rannte los.
    Etwas zuckte in seinem Kopf. Zumindest nahm er es als Zucken wahr. Das war während des Laufens geschehen.
    Er stutzte, denn er hätte längst den Waldrand erreicht haben müssen, doch als er sich umschaute und dabei für einen Moment stehen blieb, stellte er etwas Schreckliches fest.
    Er war nicht auf den Waldrand zugelaufen, sondern genau in die entgegengesetzte Richtung.
    Direkt in den Wald hinein und wahrscheinlich auch in sein Verderben…
    ***
    Es war kein Schlag, geboren aus der puren Gewalt. Es war
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